■ Nebensachen aus Moskau: Wer kein Maß kennt: russische Vermieter
Es war wieder soweit. Eine Wohnung mußte her. Drei Jahre hatte das Bündnis mit dem letzten Vermieter gehalten. Zwei davon achtete man sich gegenseitig. Im letzten Jahr entwickelte Felix Gregoriewitsch dann eher unerfreuliche Züge.
Alles in allem ließ er sich jedoch ertragen, solange er ohne Frau Lula auftauchte. Die hat es faustdick hinter den Ohren. Nicht allein, daß sie den kapitalnij remont, die Rundumrenovierung von mir, dem Mieter, erledigen ließ. Das entspricht der Normalität. Ein Moskauer scheut sich, seine Wohnung selbst herzurichten. Geld, aber vor allem Nerven gehen dabei drauf. Und Ausländer haben von beidem im Überfluß. So denkt man zumindest.
Also kam im entscheidenden Moment Felix mit Lula im Schlepptau. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Denn Lula bewegt sich nur, wenn es wirklich um etwas geht. Ihrem Mann traut sie nicht die erforderliche Härte zu, womöglich könnte er nachgeben oder um einen Kompromiß bemüht sein.
Lula schreitet die Wohnung ab. In der Küche wünscht sie neues Linoleum, im Bad hätte sie gerne jene Tapete und eine Eisentür müsse dringend installiert werden. Wer soll das machen, und wer kommt dafür auf? Sie wirft mir einen irritierten Blick zu: wie dreist, das vesteht sich doch wohl von selbst. Nun war klar, das Mietverhältnis neigt sich dem Ende zu, die Besitzer haben andere Pläne. Sie wollen noch mehr Geld, obwohl immer weniger funktioniert.
An die acht Badewannen heißes Wasser rauschen täglich durch. Die Klempner waren angesichts der verrotteten Armaturen machtlos. Schaltet man mehr als Fernseher und Föhn an, bricht das Stromnetz zusammen. Das Telefon ruht gelegentlich für einige Tage, weil die Nachbarn selbst initiativ wurden ... Die Zentralheizung schafft ihr Soll nur, wenn sie nicht soll. In den unbeleuchteten Hausflur uriniert, wer muß. Hinweise dieser Art prallen an Lula ab. Schließlich liege die Wohnung im Zentrum. Noch läßt sich damit fast jede Erhöhung rechtfertigen.
Eigentlich möchten sie selbst in die Wohnung zurück. Sie hätten es satt, ständig umzuziehen. Moskaus Vermieter seien unzuverlässig, nicht vertragstreu, murmelt Felix. Welche Schwierigkeiten mußten sie nicht alle überwinden. Lula jammert. Ich stutze, seit drei Jahren erreiche ich sie unter derselben Telefonnummer. Nehmen sie die etwa mit? In Moskau kaum denkbar. Kurz und gut, hier wird Eigenbedarf konstruiert, der mich mürbe machen soll.
Das nächste Mal hat Felix einen Vorschlag zur Güte. Verlängerung auf ein halbes Jahr, fünfzig Prozent Mieterhöhung und alles auf einen Schlag im voraus. Na, wenn das kein Angebot ist, so zumindest doch eine Entscheidungshilfe. Vierzig Wohnungen schaue ich mir daraufhin an. Löcher, die „westlichem Standard“ nur in der Miete genügen. Ein eigentümlicher Mechanismus waltet in Moskau. Ein hoher Mietzins soll den Wohnungssuchenden von der Qualität auch wider den Augenschein überzeugen. Endlich, da ist sie. Und so günstig gelegen. Der neue Hausherr kann selbstverständlich nicht endgültig zusagen, seine Frau muß konsultiert werden, doch ... Drei Tage später: ein Anruf der Immobilienfirma. Galjas Stimme war mir schon vertraut: „Sind Sie, wie Sie sagen ... wirklich, mmh, Deutscher?“ Wieso? „Beim Vermieter tauchten Bedenken hinsichtlich Ihrer ...“ Mir bleibt die Spucke weg. Sie meinen, ich käme vielleicht aus dem Kaukasus? „Tja ...“ Ihr ist es wenigstens unangenehm. Basta, die Sache hat sich erledigt. Klaus-Helge Donath
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