Press-Schlag
: Hansi Kreische will ganz nach oben

■ Ex-Bundesligist Dynamo Dresden gab sein Debüt in der Regionalliga

„Das Stadion brummt“, hat sich Manager Anton Siems gefreut, „könnte das nicht immer so sein?“ 3.100 Zuschauer, Vereinsrekord seit der Wende, haben dem Eisenhüttenstädter FC Stahl eine schöne Kasse beschert. Demnächst werden sich wieder ein paar hundert ins „Stadion der Hüttenwerker“ verirren und Dynamo Dresden wird anderen die Ränge füllen. Dresden wird wohl ein FC Bayern der Regionalliga Nordost werden, zumindest was die Zuschauerzahlen betrifft. „Früher haben wir von solchen Mannschaften geträumt. Wir waren froh, wenn es ein Freundschaftsspiel gab“, hat Ralf Kiefer, Trainer des Aufsteigers FSV Velten, von Dresden geschwärmt. Seit letzten Samstag sind Dynamo- Spiele Regionalliga-Realität. Nur mühen sich die lizenzgeschädigten Dresdner redlich, den Niederungen des Fußballs schnell wieder zu entkommen.

Der Anfang gelang ganz gut. „Ansatzweise“ hätte seine Mannschaft den glanzvollen alten Dresdner Fußball mit „Fließbandkombinationen“ beim 4:2 in Eisenhüttenstadt präsentiert, erklärte Hans-Jürgen Kreische, der neue Chef auf der Trainerbank. „Wir haben angedeutet, wo wir mal waren und wo wir wieder hinwollen“, hat Kreische noch gesagt. Anfang der siebziger Jahre stand er im Mittelpunkt des Dresdner Kreisels, vollendete den stilvollen Kick als der Gerd Müller Sachsens – danach rückte er als Nachwuchstrainer ins zweite Glied. Sammer, Kirsten, Zickler, sie alle haben einmal bei Kreische trainiert. Für den Neubeginn des 1. FC Dynamo war er trotzdem nicht erste Wahl. Doch da westdeutsche Kandidaten das Abenteuer nicht wagen wollten, erhielt der kahlköpfige 48jährige seine Chance, die er zu gern nutzen möchte: „Ich hab's mir nach so vielen Jahren mal verdient.“

Kreische, seit 38 Jahren im Verein, wurde von den anderthalbtausend Dynamo-Fans („Hansi, wir danken dir!“) in Eisenhüttenstadt zum neuen Hoffnungsträger bestimmt. Und schon feiern ihn auch die Claqueure des Präsidenten Rolf-Jürgen Otto als großen Gewinn. „Der Hansi Kreische ist als Trainer allererste Sahne“, erklärte Otto-Intimus Willi Konrad, um schnell hinterherzuschieben, Kreisches Verpflichtung sei „ganz allein eine Entscheidung unseres Präsidenten gewesen“. Mit süßen Worten bereitet die Otto-Fraktion den nächsten Wahlgang vor. Vorletzte Woche wurde die Präsidentenwahl noch „aus Sicherheitsgründen“ auf Anraten des Dresdner Polizeichefs abgesetzt. Insider vermuten, daß Otto dabei die Fäden gezogen hat. Nun soll Ende August Wahltag sein.

Nicht auszudenken, Dresden gewänne zuvor auch gegen Aue, Cottbus und Erfurt; schreckliche Vorstellung, Otto präsentierte demnächst einen neuen Brustsponsor; fürchterliche Vision gar, Dynamo fegte am letzten August-Wochenende den Bundesligisten Fortuna Düsseldorf aus dem DFB-Pokal – dann stünde wohl einer weiteren Amtsperiode des hessischen Schwergewichts nichts im Wege. Eines Mannes, der den Vereinsnamen nach tausend Tagen noch nicht richtig aussprechen kann. „Diinamoh“, prustet Otto, und das wirkt fremd nach wie vor. In Eisenhüttenstadt hat er sich entschuldigen lassen. Niemand hat ihn vermißt.

Etwa drei Millionen Mark soll Dynamo in die Regionalliga investieren. Neben Tennis Borussia, Union Berlin und Erzgebirge Aue ein Spitzenwert im Nordosten. Der Verein sei nach 19 Spielerverkäufen schuldenfrei, behauptet der Technische Direktor Willi Konrad. Fast jeder, der fehlerfrei geradeaus laufen konnte, wurde transferiert. Übrig blieben die Herren Fuchs, Waas, Andersen, Lesiak, Ratke, Kranz und Tschertschessow. Die ersten drei haben sie in Dresden seit Wochen nicht gesichtet. Keeper Tschertschessow trainiert als einziger noch mit Kreisches Mannschaft, er findet keinen neuen Verein. Ratke hängt ebenso in der Luft. Der Pole Lesiak bekam nach einem gescheiterten Transfer zum FC Tirol mittlerweile die Freigabe für das Amateurlager, doch Kreische mag nicht mit ihm planen: „Manndecker haben wir genug.“

Der neue Trainer baut sein Team um Libero Thomas Hoßmang, im Vorjahr Vertragsamateur, und Stürmer Nikica Maglica, der in der Bundesliga nicht mehr als ein paar Einwechslungen erreichte. Am liebsten sei ihm „der völlige Neubeginn“, sagt Hans-Jürgen Kreische. Finanziell und personell. „Hungrige Leute“, will er, „die sich aufopfern für die Mannschaft.“ Zwar mischen jetzt einige Teenies mit bei Dynamo, doch über eine unerfahrene Truppe verfügt Kreische keineswegs. Das Durchschnittsalter der Stammelf beträgt mehr als 26 Jahre. Den Bosnier Igor Lazic (zwei Tore in Eisenhüttenstadt) holte Konrad vom FC Valence aus Frankreichs zweiter Liga. Der Pole Dariusz Pasieka kam aus Zypern, der Bulgare Radew aus Plowdiw. Lutz Braun (1860), Michael Hecht, Jörg Schmidt (Homburg) oder Sven Baum (Sachsen Leipzig) als Anfänger zu bezeichnen wäre ungerecht. Dresden wird vor den Regionalliga-Favoriten Tennis Borussia und Union Berlin kaum in Ehrfurcht erstarren. Doch vom sofortigen Aufstieg mag Kreische nicht reden: „Diesen Gedanken weise ich zurück.“

„Wir kennen uns erst vier Wochen“, sagt Kreische, „wir müssen erst eine Mannschaft bilden.“ Der Anfang ist getan. Ein nettes Bild gab es, als sich die Mannschaft händchenhaltend wie im Vorjahr die Brasilianer von den Fans verabschiedeten. Sollte heißen: Die Zeit der Abzocker ist vorbei. Dresden spielt, wenn auch nur in der Regionalliga, wieder „Fußball mit Herz und Verstand“ (Konrad). „Wir steigen nie mehr ab“, brüllte die Masse dankbar zurück. Tiefer geht es tatsächlich kaum. Jens Weinreich