"Blavatzkys Kinder" - Teil 14 (Krimi)

Teil 14

„Ein junger rumänischer Journalist hat vor zwei Jahren die Spur eines dieser Kinder verfolgt. Seine Schwester hatte ihr Kind aus finanzieller Not verkauft, bereute diese Verzweiflungstat aber sofort und bat ihn, Nachforschungen anzustellen. Ich habe mit ihm gesprochen, als er Anhaltspunkte fand, daß die Kinder nach Deutschland verschleppt worden waren. Bei seinem letzten Anruf war er ganz aufgeregt. ,Petrescu‘, sagte er, ,wenn sich dieser Verdacht bestätigt, dann bekommen wir nicht nur meine Nichte zurück, sondern decken auch eine Riesensache auf.‘ Er wollte am Telefon nicht mehr sagen und hatte auch keine Zeit mehr, mich zu besuchen. Er kam nie von seiner Reise nach Deutschland zurück, und von dem Kind hat niemand mehr etwas gehört. Die Kinder verschwinden spurlos.“

Sie verabschiedeten sich freundschaftlich von Petrescu und versprachen, ihn über ihre nächsten Schritte zu informieren. Ihm lag viel daran, alles über das weitere Schicksal dieser jungen Romafrau zu erfahren. Er schlug sogar vor, als Kurier zu fungieren und Nachrichten an Soliza weiterzugeben, wenn Miriam und Robert etwas herausfanden. Der Besuch hatte den alten Rumänen aus seinem Trott gerissen. Er war der erste Mensch in drei Tagen, dem Solizas Geschichte nicht gleichgültig oder lästig war.

Sie setzten sich in ein Kaffeehaus und bestellten. Sie schwiegen, bis der Kellner mit lautem Geklirr die Getränke brachte.

„Wir stecken in einer verdammten Sackgasse fest“, sagte Robert und meinte auch sich selbst.

„Zu wenige Anhaltspunkte“, meinte Miriam. Sie trugen zusammen, was sie wußten. Wenig. Keine handfesten Hinweise auf Opfer, Täter oder Orte. Nichts, nur die Erzählung Solizas und die vagen, eher auf die Vergangenheit und Hörensagen gestützten Informationen von Petrescu.

„Ich reise morgen ab“, erklärte Miriam.

„Und was ist mit Soliza?“

„Wir können ihr nicht helfen.“

„Du gibst schnell auf.“

„Wir können ihr hier nicht helfen.“

„Wo sonst?“

„Fällt dir etwas ein, was wir hier tun könnten?“

„Nein. Die Behörden kannst du vergessen. Auch sonst niemand. Was hast du vor? Wo?“

„In Deutschland. Offenbar laufen dort alle Fäden zusammen, wenn Petrescu recht hat.“

Miriam stand auf, um zur Toilette zu gehen. Als sie zurückkam, blieb sie am Tisch stehen und fragte: „Kannst du dir vorstellen, daß eine Bande von Kinderräubern in mehreren Ländern agiert, ohne auf die Hilfe von Computern zurückzugreifen? Ohne technische Kommunikationsmittel und ohne Nachrichtensystem? Es muß Datenbanken oder Mailboxen geben, die wir anzapfen können. Ein Freund in Frankfurt...“

Ein Freund in Frankfurt, wiederholte Robert in Gedanken. Miriam kaute an ihrem Stift und runzelte die Stirn. „... das müßte funktionieren. Moment mal.“ Miriam ließ sich vom Kellner Geld wechseln und verschwand eine Treppe tiefer. Robert trank seinen Cappuccino und kritzelte Notizen auf eine weiße Papierserviette.

Seine Notizen hatten viele Fragezeichen, und er sah keinen Deut zufriedener aus, als Miriam zurückkam.

„Ich habe mit Paul telefoniert“, berichtete sie.

„Wer ist Paul?“

„Der Freund in Frankfurt. Ich habe ihm erzählt, was wir wissen.“

Immerhin, sie hat „wir“ gesagt, dachte Robert.

„Paul meint, es habe in Antifa- Kreisen immer mal wieder, wenn auch sehr undeutlich und selten, Gerüchte gegeben, daß irgendwelche Nazibanden in den Handel mit Kindern aus Osteuropa verwickelt seien. Alle halten das für Blödsinn, Paul eigentlich auch, aber er gehört zu den Menschen, die nichts wegwerfen können. Zumal seine Festplatte eine riesige Speicherkapazität hat. Er hat ein paar Hinweise aufgehoben. Viel sei es nicht, meinte er, aber ich könne es mir jederzeit ansehen.“

Robert sah fragend auf.

Ich fahre nach Hause und treffe ihn. Ich bin ohnehin fast pleite, wenn ich die Hotelrechnung und die Fahrkarte bezahlt habe. Ich brauche schnell wieder einen Job, sonst kann ich es mir gar nicht leisten, nach den Kindern zu suchen. Möglicherweise bekommen wir bald viel zu tun.“

Es blieb dabei, morgen würde sie fahren. Mit dem Zug. Wenn er, Robert, nachkommen wolle, sei er willkommen.

„Soliza will illegal über die Grenze und nach den Kindern suchen. Wie machen wir ihr klar, daß das verflucht gefährlich für sie ist?“ fragte Robert.

Fortsetzung folgt