Schwarz bleicht aus

■ Bisher galt der MDR als Versorgungswerk für unionstreue Journalisten. Nun nimmt der erste aus der Chefetage seinen Hut.

Die Nachricht wurde bei der rot-grünen Landesregierung in Magdeburg mit klammheimlicher Freude aufgenommen. „Der Direktor des Landesfunkhauses Sachsen-Anhalt, Dr. Ralf Reck, wird seinen Vertrag nicht verlängern“, teilte am Freitag in dürren Worten die Pressestelle des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) mit. „Er übernimmt statt dessen Anfang 1996 die Aufgabe als MDR- Beauftragter für Osteuropa.“ Reck selbst deutete seinen Abgang im eigenen Sender zur „großen Herausforderung“ um.

Die Herausforderung könnte ein Opfer sein: Beobachter glauben, daß der treue CDU-Parteisoldat über die Klinge springen muß, um wieder Ruhe in die medienpolitischen Kulissen der Dreiländeranstalt zu bringen.

Eine wackelige Angelegenheit wäre Recks Wiederwahl ohnehin geworden, auch wenn das MDR- Aufsichtsgremium die nächsten drei Jahre noch so zusammengesetzt bliebe, wie es 1991 die CDU- Regierungen von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ausgewürfelt haben.

Trotz der schwarzen Mehrheit war Reck, der Favorit des MDR- Intendanten Udo Reiter (CSU) für die Magdeburger Funkhausleitung, schon 1991 im ersten Wahlgang zunächst durchgefallen. Denn den FDP-Vertretern im damaligen Wahlgremium war der Mann aus Hamburg dann zu schwarz. Reiter konnte damals seinem Kandidaten die Mehrheit im zweiten Wahlgang erst dadurch sichern, daß er einen FDP-Mann zum Justitiar machte.

Nun ist es möglicherweise Recks Abgang, der Reiter aus der Bredouille bringt. Über die Freiwilligkeit der Demission des Funkhauschefs wird denn auch heftig spekuliert.

Intendant Reiter muß sich neuerdings bemühen, seinen Laden zusammenzuhalten. In der von Sachsens Regierungschef Biedenkopf mit ausgelösten Debatte über öffentlich-rechtlichen Rundfunk war Reiter selbst bei ARD-KolleGerade noch die Kurve gekriegt

gen in Verdacht geraten, seinem Ministerpräsidenten in dessen ARD-kritischer Position zu sekundieren.

Die schleswig-holsteinische Regierungschefin Heide Simonis hatte ihrem Magdeburger Kollegen kürzlich angeboten, Sachsen- Anhalt unter dem Dach des NDR eine neue öffentlich-rechtliche Heimat zu geben. Ähnliche Signale waren auch vom ORB aus Brandenburg gekommen.

Die Angebote wurden von der rot-grünen Minderheitsregierung in Magdeburg gern gehört und als Druckmittel im Tauziehen mit der MDR-Intendanz benutzt. „Wir müssen ja schließlich nicht im MDR bleiben“, hatte der stellvertretende Regierungssprecher Franz Stänner noch vor kurzem gedroht.

Ralf Reck, der 1991 vom NDR nach Magdeburg kam, hatte den Sozialdemokraten und den Bündnisgrünen von Anfang an schwer im Magen gelegen. Meist erwies er sich als bloßer Stichwortgeber der CDU-Regierung. Und auch später gab es immer wieder Vorwürfe, der Funkhauschef lege mehr Wert auf die richtige parteipolitische Einfärbung als auf journalistische Qualität.

Nicht nur die einseitige parteipolitische Ausrichtung des regionalen Fernsehrogramms brachte Reck in die Kritik. Viel stärker noch wurden ihm eine Vielzahl journalistischer Fehlleistungen vorgeworfen. Die Zuschauer reagierten auf die Qualität ihres regionalen Fernsehprogramms auf ihre eigene Weise. Nicht einmal mehr 100.000 Zuschauer schalteten zuletzt noch die Regionalsendung „Sachsen-Anhalt heute“ ein. Da geriet Reck auch senderintern immer mehr in die Diskussion. Somit scheint er mit seinem vorzeitigen Abgang in den Osten die Kurve auf einen Versorgungsposten gerade noch gekriegt zu haben.

Aus den Diskussionen um seine Nachfolge dringt indes Überraschendes an die Ohren der Beobachter: Heißeste Favoritin ist nämlich Elke Lüdecke, die im Gegensatz zu ihrem Vorgesetzten sehr erfolgreiche Hörfunkchefin des MDR-Landesfunkhauses Magdeburg.

Schon vor mehr als einem halben Jahr hatte der MDR-Intendant das ostdeutsche Eigengewächs als mögliche neue Funkhauschefin in Magdeburg ins Gespräch gebracht. Seitdem darf Lüdecke, die nominell auch stellvertretende Funkhausdirektorin ist, auf Weisung von Reck an keiner Gremiensitzung des MDR mehr teilnehmen, die er selbst wahrnehmen kann.

Nicht nur für den MDR wäre die Berufung Lüdeckes eine kleine Sensation. Sie ist nämlich parteilos. So wird die Kandidatin als die Frau gehandelt, die sich auch den Einflußambitionen der neuen Machthaber an der Elbe verwehren könnte.

„Wichtig sind für uns ausschließlich journalistische Qualitätskriterien“, behauptet vorsorglich die Staatskanzlei. Der Anfang der Entfilzung des MDR? Oder bloß ein geschickter Schachzug des Intendanten, rot-grüne Parteibücher aus seiner schwarzen Machtzentrale herauszuhalten? Eberhard Löblich