"Blavatzkys Kinder" - Teil 15 (Krimi)

Teil 15

„Ich weiß nicht. Aber so findet sie die Kinder nicht, selbst wenn sie über die Grenzen kommen sollte. Sobald sie anfängt, zu suchen und zu fragen, schnappen die Bullen sie. Dann droht ihr Abschiebehaft und Abschiebung. Nach Rumänien, nicht nach Ungarn, und sie ist noch schlechter dran als jetzt.“

„Wo soll sie hingehen? Sie kann nicht auf dem Bahnhof leben.“

„Wir haben ihr nichts zu bieten. Nur die Verantwortung, ihr zu erklären, was es heißt, ein Flüchtling in Deutschland zu sein. Alles andere ist ihre Entscheidung. Einverstanden?“ fragte Miriam.

Robert nickte.

* * *

Der Mann hieß Fred und war eher klein und mager. Er war Mitte Dreißig und trug am liebsten graublaue Anzüge. Kaum jemand, der ihn kurz sah, hätte ihn beschreiben können. Er legte die Kopfhörer auf den Tisch und drehte sich zu dem anderen Mann um.

„Es gibt Ärger. Unsere Auftraggeber haben ein neues Problem.“

Sein Kollege sah in fragend an.

„Diesmal geht es nicht um Wunsiedel. Sie suchen die Kinder.“

„Wieviel wissen sie?“

„Nicht viel. Das Objekt hat einen Anruf aus Ungarn erhalten. Budapest.“

„Wer hat angerufen?“

„Eine Frau namens Miriam. Eine Deutsche.“

„Was weiß sie?“

„Nicht viel. Das Problem ist aber ... Moment!“ Er setzte die Kopfhörer erneut auf. Dann legte er die Kopfhörer wieder auf den Tisch.

„Wir haben einen langen Abend vor uns. Das Objekt geht aus.

„Wir müssen unbedingt erst herausfinden, was er weiß.“

„Also, was weiß dieser Deutsche?“

„Daß Kinder aus Rumänien möglicherweise nach Deutschland gebracht werden und daß Geld im Spiel ist. Aber sie hat keine Ahnung, wer zahlt, und nur ungenaue Vorstellungen, wie es gemacht wird.“

„Woher hat sie ihre Informationen?“

Sie hat mit einer Zigeunerin gesprochen, die ihr Kind sucht. Eines von den Gören aus Bukarest.“

„Ausgerechnet ein so primitives Weib kommt ihnen auf die Spur...“

„Keine Angst, sie hängt in Budapest fest, und die Lieferung hat den Empfänger längst erreicht. Sie kennt unseren Kontaktmann. Das macht aber nichts – der ist sowieso verbrannt und bekommt jetzt andere Aufträge.“

Die beiden Männer stritten über ihren Auftrag. Bei diesen Antifas herrschte heilloses Chaos. Völlig unübersichtliche Strukturen. Einerseits war das günstig, weil es die Chaoten schwach machte, andererseits aber auch unberechenbar. Das war weniger schön und erschwerte ihren Job. Sicher alles Absicht. Raffinierte Bande. Was plante die Antifa- Szene dieses Jahr für Wunsiedel?

„Alles ist irgendwie anders als sonst“, meinte Fred.

„Bluff“, widersprach der andere. „Leicht zu durchschauen“, fügte er hinzu.

Das saß. Fred wählte eine lange Telefonnummer.

„Ja?“ Fred nannte den Code. Warteschleife. Weitervermittlung. Zweiter Code.

„Ich berichte.“ Kurze Pause. Er schilderte die Situation und empfing neue Befehle.

Fred legte den Hörer auf und drehte sich zu seinem Kollegen um: „Wir holen das Zeug.“

* * *

Während sich die beiden Reisenden aus Deutschland den Kopf über Soliza zerbrachen, hatte die alte Frau ihr im Wartesaal des Westbahnhofs längst den Kopf gewaschen.

„Wenn du die beiden Deutschen dazu kriegst, die Kinder zu suchen, gut. Du selbst hast keine Chance, Soliza! Wie willst du über die Grenze kommen? Die Deutschen haben Hunde, und sie haben neue Geräte, mit denen haben sie sogar nachts Augen.“ Soliza wehrte sich, obwohl sie längst ahnte, daß ihr Plan fehlschlagen mußte. Schließlich nahm sie die Einladung der alten Frau an.

„Sie ist nicht hier, weil sie flüchten will“, erklärte Soliza ihren Freunden. „Sie kommt aus Südungarn, ihr Mann ist gestorben. Nun wartet sie auf ihren Sohn, der sie hier abholen will. Er lebt in Eger. Sie hat mich eingeladen, mit ihnen zu kommen.“

Miriam und Robert waren erleichtert.

„Bist du bei ihnen sicher?“ wollte Miriam wissen.

„Ja,ja. Das ist eine ruhige Stadt im Nordosten Ungarns. Nicht sehr groß. Sie liegt am Fuße des Bükk- Gebirges. Es gibt wunderschöne alte Häuser dort und Weinberge“, freute sich Soliza.

Fortsetzung folgt