Bierseligkeit verstößt gegen Immissionsschutz

■ Verwaltungsgericht Augsburg erklärt die Bayerische Biergartenverordnung für nichtig. Der Verein zur Förderung der Biergartenkultur ist empört und Stoiber schweigt

Augsburg/München (taz) – Das Augsburger Verwaltungsgericht hat dem bayerischen Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) einen herben Schlag versetzt: In einer gestern bekanntgegebenen Eilentscheidung erklärte es die bayerische Biergartenverordnung für nichtig, die erst am 30. Juni in Kraft getreten war. Nach dem Urteil steht die Verordnung, nach der Biergärten in der Nachbarschaft von Wohngegenden bis 23 Uhr geöffnet bleiben dürfen, nicht im Einklang mit dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BimSchG).

Noch im April hatte sich Bayerns Ministerpräsident zusammen mit seinen Ministerkollegen höchstpersönlich an die Spitze der Biergartenrevolutionäre gesetzt. Eiligst war ein Regelwerk zusammengeschustert worden, das sich amtlich „Verordnung zur Regelung der Nutzungszeiten in Biergärten (Bayerische Biergärten- Nutzungszeiten V)“ nannte. Am 30. Juni diesen Jahres war das Paragraphenwerk in Kraft getreten.

Der Pressesprecher des Gerichts, Karl-Heinz Schendel, erklärte gestern: „Die Biergartenverordnung ist unserer Meinung nach ungültig, weil überhaupt nicht differenziert wird.“ Es sei unabdingbar, daß Biergärten in Wohngebieten andere Öffnungszeiten haben als Biergärten in Misch- oder gar Gewerbegebieten. „Jetzt ist der Freistaat gefordert. Diese Rechtsunsicherheit muß behoben werden!“

Konkreter Anlaß für das aufsehenerregende Urteil war ein Nachbarschaftsstreit im Landkreis Donau-Ries. Dabei ging es um die gaststättenrechtliche Zulassung eines winzigen Biergartens mit nur acht Sitzplätzen. Das Gericht urteilte, daß der Biergarten im Wohngebiet längstens bis 21 Uhr geöffnet bleiben darf. Der Ausschank sei bereits um 20.45 Uhr einzustellen.

In der Bayerischen Staatskanzlei war bis Redaktionsschluß keine Stellungnahme zu erhalten. Weder Ministerpräsident Edmund Stoiber noch sein Sprecher wollten sich zu der neuen Rechtssituation äußern. Der Verein zur Förderung der Biergartenkultur reagierte empört auf das Urteil und forderte eine Änderung des Immissionsschutzgesetzes. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) hätten eine Biergartenverordnung mit längeren Öffnungszeiten versprochen, sagte Vereinspräsidentin Ursula Seeböck. „Der Kampf geht weiter, jetzt erst recht.“

Die neue und nun schon alte Biergartenverordnung war durch einen mittlerweile beigelegten Streit um die traditionsreiche „Waldwirtschaft“ in Pullach bei München initiiert worden. Klaus Wittmann