Wer is'n das?

■ Warum hält taz-Autor Andreas Becker den Schirm? Warum kriegt er kein Eis? Ein feuchter Abend beim Dreh zu "Der kalte Finger", ein echter Kinofilm von Pro 7

Das Sommerwetter bringt dem freischaffenden Journalisten mitunter merkwürdige Aufträge ins Haus. Aus Angst, daß noch der letzte Autor „in“ Urlaub verschwindet, ködern Redakteure einen mit Aufträgen direkt am Wasser – mach doch mal was über die Belästigung durch Motorboote.

Oder sie rennen einem, wie die Dame, die diese Seite betreut, bis ins „Bistro“ gegenüber der taz nach und wedeln schon von gegenüber mit Faxen herum, als hätten sie einen Blumenstrauß dabei. „Das ist bestimmt was für dich: ... möchten wir Sie einladen bei einem Eiskaffee ...“, schon läuft mir der Schweiß runter, „einen aufregenden Stunt zu genießen“. Tja, schau dir das mal an (was?), sagt die Redakteurin jovial und verschwindet im „Baguettepuff“, wie der Musikredakteur den Laden bei Hitze nur noch nennt.

„... Entsteht zur Zeit in Berlin der Erotikthriller ,Der kalte Finger‘ mit Gruschenka Stevens“ – ein Schweißtropfen verdirbt mir beim Weiterlesen die analytische Sicht – „Zum Stunt selbst: Gruschenka fährt in ihrem Mini vor das Café. Noch bevor sie aussteigen kann, wird ihr Mini umgekippt und auf den Kopf gestellt.“ Hä? Alles verschwimmt. Brille putzen! Irgendwer wedelt mit einem Baguette. „Na, hast du angebissen?“

Ein Tag der Zweideutigkeiten. Stunden später hängen dicke Gewitterwolken über dem U- Bahnhof. Drehort Ku'damm, Café Universum. Von Minis keine Spur. Aber am Fotografentisch ist die Hölle los. Die wie immer bis in die Haarspitzen hektisierten Herren haben seit einer Stunde nichts zu tun. „Hast du schon Schauspieler gesehen?“ Irgendwas stimmt nicht im Café Universum. Einige der Gäste sehen noch spießiger aus, als man es am hinteren Ku'damm eh' vermutet.

Erst viel später, als die Regieassistentin die merkwürdig overdresste Meute nach draußen an die inzwischen nassen Tische treibt, wird klar, warum das so ist. Die Gäste sind nicht echt, sondern Komparsen, die fürs Sitzen und Trinken bezahlt werden. „Wo bleibt eigentlich das Eis?“ Es gibt überhaupt kein Eis, klärt mich einer der Fotografen auf, nur Bier. Die Wolken werden prompt böse, grummeln vor sich hin, es beginnt zu tröpfeln. „Können die überhaupt bei Regen den Mini umschmeißen?“ – „Das schon, aber dann haben sie einen fetten Anschlußfehler“, klärt mich eine Frau auf, die mit einem Pro 7- Mikro rumrennt und mir im Laufe des Abends jede Menge Anschlußfehler in Hollywoodfilmen aufzählt. Die Fotografen werden unruhig, wo bleiben die blöden Schauspieler? Es beginnt richtig schön zu regnen, und genau in diesem Moment wird die erste Schauspielerin auf die Straße getrieben. Die magere Person muß sich im Mini vor den Mini stellen, zum Glück ist sie wichtig genug, um einen Schirmträger zu bekommen. „Weißt du, wie die heißt?“ will ein Fotograf wissen. „Das ist Sophie Rois, die hat in ,Wir können auch anders‘ mitgespielt.“

„Und wer sind Sie?“ fragt mich plötzlich die Pressebetreuerin. Jetzt geht's richtig los mit Recherche, sagt mir mein Journalistengefühl, die frage ich irgendwas. „Wann kommt die Serie denn eigentlich auf Pro 7?“ Serie? „,Der kalte Finger‘ ist keine Serie, der kommt ins Kino!“ Aber danach? Sie schaut mich mißlaunig an, als hätte ich ihr Fax nicht richtig gelesen, was ich sofort zugebe. Gab es denn eigentlich schon Eiskaffee?

Plötzlich gibt mir jemand den Schirm in die Hand. „Halt den mal über die Rois!“

Irgendwas stimmt nicht im Café Universum

Augenblicklich donnern die Blitzlichter auf mich und die Rois los. Die Fotografen geben mir Anweisungen, ich soll den Schirm doch bitte ein bißchen schräger halten, ja so, dann ist die Reklame im Hintergrund verdeckt. Der Regen wird stärker, die Rois sagt irgendwas Nettes, es donnert, ich werde naß. Die Rois darf auf keinen Fall naß werden! Die ist zu dünn, die holt sich sofort eine Lungenentzündung. Später flüchtet sie sich in den Mini, schaut traurig durch die nassen Scheiben.

Hektik auf der anderen Straßenseite. Die Stars kommen endlich aus der Garderobe im Keller des Universums. „Das ist Gruschenka Stevens“, zwitschert ein Fotograf, „aber wer ist der Typ neben ihr, mit dem Schirm?“ – „Das ist Dominic Raacke, der hat letztens im ,Papagei‘ mit Harald Juhnke mitgemacht.“ Und die Stevens? „Die ist 23. Die war bei ,Tommy – Voll Normaal‘ mit Tom Gerhard dabei.“ Und die wird gleich im Mini umgeschmissen?

Weil das viel zu gefährlich für einen Nachwuchsstar wäre, steht dafür die Stuntfrau Elke bereit, die ich einige Minuten später mit Gruschenka verwechsle, weil sie perfekt auf Zwillingsschwester geschminkt ist. Markantester Unterschied: Sie trägt keinen Mini, sondern donnert mit einem vors Café.

Nach fünf Stunden Wartezeit gehen die Dreharbeiten weiter, irgendwann in der Nacht soll der Mini vom Bösewicht, der hinter der Telefonsexdame Gruschenka herrast, endlich umgeworfen werden. Um halb eins steht der Mini immer noch auf seinen vier Reifen. „Wenn die den jetzt umwerfen, gibt das ganz klar einen Anschlußfehler, denn die Straße ist naß, und bei der Szene vorher war sie trocken.“ Still und leise verlasse ich den Drehort. Andreas Becker