„Sie wollen genauso hart sein wie Männer“

■ Gertrud Siller befragte im Rahmen einer bisher unveröffentlichten Studie rechtsextrem eingestellte und überraschend selbstbewußte junge Frauen

Gertrud Siller arbeitet am pädagogischen Seminar der Universität Göttingen. Im Rahmen einer qualitativen Studie befragte sie zehn Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren, fünf von ihnen wiesen latente oder gefestigte rechtsextremistische Orientierungen auf. Die Studie soll im Laufe des Jahres veröffentlicht werden.

taz: Fügen sich diese Mädchen in die Frauenrolle, die ihnen die Rechten zuweisen?

Gertrud Siller: Die rechtsextremistisch orientierten jungen Frauen, mit denen ich gesprochen habe, verhielten sich überwiegend sehr selbstbewußt. Es sind also nicht die Mädchen, die still und folgsam hinter ihren rechtsextremen Freunden stehen und zu dem rechten Frauenbild, das die Frau an Heim und Herd verbannt, ja und amen sagen. Sie verstehen sich keineswegs bloß als Anhängsel ihrer Männer, sondern fühlen sich im Rahmen ihrer rechten Orientierung als starke Frauen. Gerade durch diese politische Haltung wollen sie betonen, daß sie genauso hart sein können wie Männer und genauso durchsetzungsfähig. Konkret heißt das, daß sie sich nicht mit dem Platz an Heim und Herd zufriedengeben. Sie wollen zwar eine Familie und sehen sich auch als Frau für die Kinderbetreuung prädestiniert, also Hausmänner kämen für sie nie in Frage, aber sie wollen dann auch wieder in ihren Beruf zurück und nicht nur zur Hausfrau werden. Ihre Konflikte mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterscheiden sich in diesem Punkt nicht von denen anderer Frauen.

Das paßt aber gar nicht in das rechte Frauenschema. Die Eigenschaften der Mädchen, die Sie beschreiben, werden in der rechten Ideologie ja gerade nicht den Frauen zugeordnet. Demzufolge müßten die jungen Frauen doch in einem ständigen Kampf mit ihren männlichen Gesinnungsgenossen liegen?

Das tun sie. Sie kämpfen mit diesen Männern um ihre Anerkennung als Frau. Dabei wollen sie keine Unterstützung, sondern es allein schaffen. Sie sehen sich als Einzelkämpferinnen, die sich entweder ganz durchsetzen oder ihr Selbstbewußtsein ganz verlieren. Eine öffentliche Solidarisierung unter Frauen und ein politisches Eintreten für die Rechte von Frauen lehnen sie ab, weil das für sie ein Zeichen von eigener Schwäche ist. Ihre Kompromißlosigkeit im Umgang mit den eigenen Konflikten, ihre Unfähigkeit, Widersprüche auszuhalten, und ihr Denken in Entweder-oder-Kategorien im eigenen Lebenskontext spiegeln sich in ihrer Orientierung nach rechts wider. Halbherzige Lösungen gibt es für sie nicht, und halbherzig ist alles, was mit Flexibilität, Kompromißbereitschaft und politischen Kurskorrekturen zu tun hat. Gefordert wird zum Beispiel eine „feste Linie“ in der Ausländerpolitik, die „knallhart durchgehalten“ werden soll.

Das erinnert an die üblichen rechten Parolen. Bleibt es bei den Sprüchen, oder setzen diese Mädchen auch Gewalt gegen AusländerInnen ein?

Nein, sie sind nicht selber gewalttätig. Allerdings lassen sie offen, wie denn ihre verbalradikalen Forderungen politisch umgesetzt werden sollen. Einen Zusammenhang zwischen ihrer rechtsextremistischen Orientierung und fremdenfeindlichen Anschlägen wollen sie nicht sehen. Einer befragten jungen Frau ist aber ein sehr interessanter Versprecher unterlaufen. Sie sagte nämlich: „...die Leute, die für mich Häuser anzünden, finde ich nicht gut.“ Dieses unbewußte „für mich“ zeigt, daß es diesen Zusammenhang sehr wohl gibt.

Warum sind diese Mädchen denn überhaupt rechts eingestellt?

Da spielen vor allem der Wunsch nach Anerkennung eine Rolle und die Angst vor einer ungewissen Zukunft. Diese Frauen möchten eine „eigenständige Zukunftsaussicht“, wie es eine Befragte formuliert, sehen sie für sich als Frauen aber nicht. Dazu fehlen ihnen offensichtlich auch die Vorbilder, die sie in ihren Müttern gerade nicht sehen, weil die – zumindest in den Augen ihrer Töchter – ein „eigenes Leben“ kaum hatten. Diese Orientierung nach rechts ist ein Versuch, sich stark zu machen und sich in unserer Welt zu behaupten.

Was könnte man in der Mädchen- und Frauenarbeit gegen diese Entwicklung machen?

Um konkrete Konzepte zu entwickeln, muß man noch viel mehr forschen. Es ist schwierig, die Motive der jungen Frauen nachzuvollziehen. Deutlich wird aber: Rechtsextremistische Orientierungen sind für die von mir Befragten keine „Mode“, sie laufen auch nicht nur ihren rechtsextremen Freunden hinterher. Diese politischen Orientierungen passen in ihr Selbstverständnis und ihr Lebenskonzept. Um das zu ändern, muß man den jungen Frauen andere Möglichkeiten bieten, stark und selbstbewußt zu sein. Auf struktureller Ebene heißt das, die Benachteiligung von Frauen abzubauen und eine Gleichberechtigung der Geschlechter zu forcieren. Gerade in der von ihnen empfundenen Beweispflicht, genauso hart sein zu müssen wie Männer, um einen Anspruch auf Gleichberechtigung zu haben, schwingt auch immer die Meinung mit, Frauen seien selber schuld, wenn sie benachteiligt werden. Man muß den Frauen Alternativen aufzeigen. Interview: Kirstin Hausen