„Atom ist hier ein Reizwort“

■ Dominique Lassus, Frankreichs Generalkonsul in Hamburg, im Interview

taz: Der internationale Druck auf die französische Regierung angesichts der geplanten Atomversuche auf dem Moruroa-Atoll steigt. Wie erleben Sie den Protest in Hamburg?

Dominique Lassus: Der Protest in Hamburg ist stärker als in anderen deutschen Städten. Ich würde fast sagen, er ist übertrieben. Der Cognac- und Champagner-Boykott scheint mir nicht das richtige Mittel, um eine Entscheidung der französischen Regierung zu verhindern. Ich kann verstehen, daß man die Atomtests anzweifelt und diese Meinung kundtut. Das respektiere ich. Aber die Art, wie manche Deutschen uns über unsere Sicherheitsinteressen belehren wollen, ist nicht gerechtfertigt. Die Deutschen sind Zehntausende von Kilometern von Moruroa entfernt, aber sie reagieren, als ob diese Versuche am Rhein gemacht würden.

Ich bin immer wieder erstaunt darüber, daß die Deutschen außer sich sind, wenn es um den Pazifik geht, und zu dem täglichen Völkermord in Bosnien kaum Protest laut wird. Ich weiß, daß „Atom“ in Deutschland ein Reizwort ist, gucken Sie doch nur mal nach Gorleben. Aber andere Länder haben noch bis vor kurzem Atomversuche gemacht oder führen sie weiterhin durch. Ich verstehe nicht diese einseitige Empörung gegenüber Frankreich; es sei denn, dahinter verbergen sich andere Gründe.

Atomstrahlung macht nicht an Grenzen halt.

Unsere Sicherheitsvorkehrungen sind sehr gut. Wir sorgen dafür, daß es keine Katastrophe gibt.

Wie reagieren Sie, wenn ständig vor dem französischen Konsulat demonstriert wird?

Ich wüßte nicht, weshalb ich mich verstecken sollte, wenn dort demonstriert wird. Als Vertreter Frankreichs schäme ich mich nicht. Ich fühle mich weiterhin wohl in Hamburg. Ich melde den Protest natürlich nach Paris. Im Durchschnitt bekomme ich acht bis zehn Faxe und Briefe pro Tag.

Die Kandidatin der französischen Grünen und Atomkraft-Gegnerin Dominique Voynet hat bei den Präsidentschaftswahlen im Mai bei Ihren Landsleuten in Hamburg überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Kommt von denen jetzt Protest gegen die Atomversuche?

Es gibt einen französischen Restaurantbesitzer, der öffentlich gesagt hat, daß er gegen die Tests ist. Ansonsten hat sich kein Franzose aus Hamburg an mich gewandt und gesagt, ich bin dagegen, bitte lassen Sie das Paris wissen.

Ist das Protestieren typisch deutsch?

Ich glaube schon. In Frankreich sind auch nicht alle dafür. Man spricht viel darüber, aber es ist kein Thema auf der ersten Seite der Zeitung. Die Franzosen sehen das anders, weil sie wissen, daß es um ihre zukünftige Sicherheit geht. Es gibt dort keine Panikmache wie hier.

Halten Sie es für möglich, daß die Versuche angesichts des internationalen Drucks doch noch gestoppt werden?

Chirac hat mehrmals öffentlich gesagt, daß die Entscheidung unwiderruflich ist. Ich glaube nicht, daß er sich durch einen Boykott davon abbringen läßt.

Wird durch diese starre Haltung nicht die deutsch-französische Freundschaft belastet?

Politiker und Privatpersonen, die am 14. Juli (französischer Nationalfeiertag, d. Red.) zum Empfang gekommen sind, haben mir gesagt, daß sie wegen der Freundschaft zu Frankreich gekommen sind, aber wenig von den Tests halten. Das ist in Ordnung. Auch unter guten Freunden kann man sagen, ich glaube, du machst einen Fehler.

Wenn man dem Freund deshalb den Rücken kehrt, kann man nicht von Freundschaft sprechen.

Fragen: Heike Haarhoff