Kein Schandmal, sondern Volkspalast

■ taz-LeserInnen zeigen ihre schönsten Bilder: Der Palast der Republik war ein Erlebnisort - vom Neptunfest bis zur Hochzeit

Ist der Palast der Republik ein deutsches „Centre Pompidou“, ein „Kulturpalast“, der der „gepanzerten Raumstation“ ICC im Westen weit überlegen ist? Überlegen an Zugänglichkeit, an Einblicken und Ausblicken? War er ein „Stück Alltag der DDR“ und etwas auch „für die kleinen Leute“? Oder blockiert der Palast als an die DDR erinnerndes „Schandmal“ die „Gestaltung der Zukunft des vereinten Deutschland“? Während die Bauherren, Bonzen und Bomber sich weiter streiten und die bronzenen Palastfenster weiter erblinden, kommen die Leisetöner zu kurz. Sie erinnern schlicht daran, daß der seit 1990 stillgelegte Palast mit seinen Gaststätten, Galerien, Konzertsälen und Theatern tatsächlich einst ein Haus des Volkes war, das 70 Millionen BesucherInnen zählte. Sozusagen die „Volkskammer“ neben der Volkskammer für Familien- und Betriebsfeiern, Faschingsfeiern, Modenschauen, Kegelabende, künstlerische Erbauung. Weshalb auch die Blicke, die man von Westen und von Osten auf diesen Palast wirft, so verschieden sein können.

„Ihre schönsten Erinnerungsbilder vom, im und am Palast der Republik“ suchten wir vor etwa sechs Wochen per Kleinanzeige in der taz und in der Berliner Zeitung. Ein Dutzend FotografInnen sendete Bilder ein, teils private, teils professionelle, teils aus dem Westen, teils aus dem Osten. Manche feierten „wegen der niedrigen Preise“ in der Nachwendezeit ihre Hochzeit dort, einer schickte das Bild einer „Kinderweihnachtsrevue, an der ich beteiligt war“. Künstlerisch angehauchte Fotos waren ebenso darunter wie Dokumentationen des Widerstands gegen den Abriß. Vielen Dank!

Werden vom Palast irgendwann nur noch Bilder übrig sein? „Es werden nur ein paar Zahnstocher stehenbleiben“, freut sich immer wieder der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Ihm geht es nicht um ein asbestfreies, sondern um ein palastfreies Berlin. In dem Wunsch, den Palast der Republik abreißen zu lassen, ist er sich ausnahmsweise einig mit Parteifreund Helmut Kohl. Der hat Ende Juli aus dem Sommerurlaub verkünden lassen, daß es „keinen Sinn macht, diese Zahnstocher zu erhalten oder den Palast wiederaufzubauen“. Kohl wünscht sich zudem, daß „ein Neubau die Fassaden des Schlosses erhält“. In die Schar der Mauerspechte mit Mission hat sich in diesen Wochen auch das Magazin Stern eingereiht, das in einer seiner Touristenfallen, auch „Rotunden“ genannt, die Schloßfassade wiederaufleben ließ. Die Kohl-Statements samt Stern-„Vision“ haben die Diskussion um den Palast der Republik auf Sommerlochniveau wiederaufleben lassen. Dennoch sahen sich Senatsbaudirektor Hans Stimmann sowie sein Chef Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) zu harschen Dementis genötigt; der Schloßwiederaufbau sei keineswegs Senatslinie: „Wir sind nicht Disney World.“

Bis Historiker Kohl seine jüngsten Schloßwünsche kundtat, hatte der Palaststreit eigentlich auf Eis gelegen. Denn im Haushaltsausschuß des Bundestages waren Politiker, Finanz- und Bauexperten im Juni bei einer Anhörung zu der Erkenntnis gelangt, daß „ohne Nutzungskonzept keine Mark angefaßt zu werden braucht, denn jede Mark wäre fehlinvestiert.“ Ohne Nutzungskonzept könne auch über die beste Methode der Asbestsanierung nicht entschieden werden. Lediglich die CDU beharrte weiter auf einem Totalabriß des Palastes. Die Mehrheit der angehörten Experten, einschließlich des FDP- Obmannes, plädierte für den Erhalt. Der Haushaltsausschuß vertagte sich auf nach der Sommerpause. Dann wird sich entscheiden, was aus dem Gebäude wird. Hans-Hermann Kotte