■ Stunde Null
: Gespräche mit Deutschen sind erlaubt

Als erste westliche Besatzungsmacht kommen die Briten am 2. August 1945 mit einer eigenen Zeitung auf den Berliner Markt. Das Blatt heißt Der Berliner. „Berichte und Kommentare werden getrennt gehalten“, versichert der britische Stadtkommandant Generalmajor L. O. Lyne im Editorial in der Hoffnung, daß den Deutschen während der zwölfjährigen NS-Herrschaft das eigene Urteilsvermögen nicht völlig abhanden gekommen ist.

Ausführlich widmet sich die neue Zeitung dem Schicksal der gefangengenommenen Nazi- Größen. So erfahren die Leser, daß „Göring 10 Kilo abgenommen hat“, während Ribbentrop und Prinz Philipp von Hessen „streng verwarnt wurden, ihre Zimmer besser in Ordnung zu halten“. Solche Meldungen animieren die Berliner besonders, das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. „Habe nur noch den einigen Wunsch, diese großmäuligen Strolche mit einer Peitsche zur Arbeit anzutreiben“, schreibt Adolar Seiffert, und Kurt Gringel freut sich in seinem Leserbrief: „Göring hat 10 Kilo abgenommen. Kann einem leid tun, diese Freßmaschine.“

Vielleicht waren es deutsche Stimmen wie diese, die Feldmarschall Montgomery veranlaßten, sich am 7. August mit einer „persönlichen Botschaft an die Bevölkerung der britischen Zone“ zu wenden. Darin teilt er unter anderem mit, daß es den Angehörigen der britischen Truppenteile ab sofort gestattet ist, „sich auf der Straße und in der Öffentlichkeit mit der deutschen Bevölkerung zu unterhalten“. Montgomery weiter: „Das wird uns die Möglichkeit geben, Fühlung aufzunehmen und ihre Probleme leichter zu verstehen.“

An Gesprächspartnern mangelt es Montgomerys Soldaten nicht. Täglich drängen über 5.000 „deutsche Übersiedler“ nach Berlin. Ende Juli sieht sich Marschall Shukow genötigt, „zwecks Vermeidung einer Überbevölkerung der Stadt“ jeden weiteren Zuzug zu verbieten. Trotzdem wird es in Berlin immer enger. So berichtet das SPD-eigene Volk von einer Polizeiaktion, bei der „in einer Wohnstube“ in der Nähe des Rosenthaler Platzes „24 Personen“ dabei erwischt wurden, wie sie „dem verbotenen Glücksspiel ,Meine Tante – deine Tante‘ frönten“.

Überhaupt nimmt gerade die SPD in jenen Tagen den Berlinern ihren Amüsierwillen übel. So fordert ihre Zeitung unter der Überschrift „Ein brennendes Problem“, Jugendliche den Zutritt in Kabaretts und Varietés zu verwehren. „Denn fast keine Vorstellung ohne eindeutige Zweideutigkeiten, mit denen sich ein Erwachsener noch ganz anders abfinden kann als ein junger Mensch. Insbesondere wenn man bedenkt, daß unsere heutige Generation geistig vollkommen wurzellos, in weitestgehender Weise sogar verwahrlost ist. Widerstandslos gleiten sie in die erotischen Schlüpfrigkeiten der Kabaretts.“

Für das Feuilleton der Täglichen Rundschau sind das nur Erdnüsse. Denn dort bemüht man sich, der „deutschen Kunst“ zu erklären, „was sie braucht“. Nämlich „die große soziale Idee“. Die suchte die Rezensentin des Blattes in der ersten Berliner Nachkriegs-Ausstellung vergeblich. Dafür sah sie in der Schau des Kultur-Kollektivs in der Halleschen Straße Bilder wie jenes „Berlin 1945“ des Malers Cuno Fischer. „Ein paar reglos auf die Leinwand gemalte Hausruinen, Menschen, gequält und angstzerrissen von den Schrecken des Luftkrieges, ein Krüppel; alles in allem also ein völlig pessimistisches Motiv, dargestellt in unschöner, moderner Methode.“

Das CDU-Blatt Neue Zeit mahnt angesichts solcher Stimmen, „aus den Fehlern des Gegners zu lernen“. Weil, „wenn aus dem ,Pimpf mit der Trommel‘ nun ein ,Antifaschist mit Trompete‘ wird, gar nichts gewonnen ist“. Und in der Volkshochschule Wilmersdorf fordert der Kunsthistoriker Adolf Behne, „nie wieder dürfe das Banausentum sich breitmachen, wie es in der Nazizeit der Fall war; denn wer einmal Kunst erlebt habe, könne nicht Menschen vergasen“.

Eine Woche später, am 7. August 1945, titelt Der Berliner: „Atombombe auf Japan – Sprengkraft 2.000mal vergrößert“. André Meier

wird fortgesetzt