Laserlabor statt Moruroa-Atoll?

Ein Verzicht auf Atomtests ist nicht das Ende der Atomwaffenentwicklung. In französischen und US-amerikanischen Laserfusionseinrichtungen soll die Bombe perfektioniert werden.  ■ Von Julia Förster

Simulationen sind eine praktische Sache: Wasserstoffbomben brauchen keine Atolle mehr zu verstrahlen, sondern werden in Laserfusionsanlagen im Miniaturformat nachgespielt. Auf den ersten Blick eine saubere Lösung.

Der Bau einer großen Laserfusionseinrichtung ist vor einigen Monaten in Frankreich bewilligt worden. Da noch Daten zur Eichung zukünftiger Simulationen fehlten – so Chirac – brauche die Wissenschaft aber doch noch einige echte Tests. In den USA befindet sich eine ähnliche Anlage, die National Ignition Facility (NIF), im Planungsstadium. In beiden Einrichtungen sollen „Mini- wasserstoffbomben“ mit extrem leistungsstarken Lasern gezündet und physikalische Eigenschaften mit Hilfe von Computersimulationen analysiert werden. Kostenpunkt: jeweils an die zwei Milliarden Dollar.

Die ersten experimentellen Ergebnisse ihrer bis dahin geheimen Arbeit veröffentlichte die Laserfusions-Forschungsgruppe am Lawrence Livermore National Laboratory, Kalifornien, im Oktober 1994. Das geplante NIF wird auf dem gleichen Prinzip beruhen, nur um einiges leistungsfähiger sein: Größer als ein Fußballstadion sollen die fast 200 Laser sein, die durch ein Labyrinth aus Verstärkern synchron 1,8 Millionen Joule Energie auf eine winzige Kapsel schießen, in der sich Deuterium und Tritium, die schweren Varianten des Wasserstoffs, befinden. Dabei wird das Gemisch zwanzigmal dichter als Eisen und über 50 Millionen Grad heiß. Für einen Bruchteil einer Sekunde – etwa ein Milliardstel – verschmelzen dabei einige der Wasserstoffisotope zu Helium und setzen große Energien frei – wie bei thermonuklearen Prozessen im Innern von Sternen oder Wasserstoffbomben.

Diese Art, eine Verschmelzung von Atomkernen zu erzwingen, wird als Laserfusion bezeichnet und hat mit der Kernfusion, bei der ein Plasma bis zur Zündung magnetisch zusammengehalten wird, nicht viel gemeinsam. Von letzterer Methode versprechen sich viele einen unverzichtbaren Beitrag, die Energieversorgung in der Zukunft zu sichern. Die aufwendige Forschung erfolgt in internationaler Zusammenarbeit. Bei der Laserfusion bleibt der Aspekt der Energiegewinnung hinter den militärischen Zielen zurück – schon aus diesem Grund ist sie eine Technologie, die überwiegend im nationalen Kämmerchen zu Hause ist.

Die große Chance des NIF kam im Sommer 1993, als die Vereinigten Staaten das Atomtestmoratorium verlängerten. Wenige Tage später wurde ein Nachtragshaushalt eingereicht, der 153 Millionen Dollar für Umgehungstechnologien auswies. Und das Energieministerium unterstützte nun vehement die Verwirklichung des NIF. „Wenn sie in die Zukunft blicken, sehen sie einfach nur noch dieses eine Großprojekt im Bereich Verteidigung“, kommentierte ein Mitglied des Repräsentantenhauses die Begeisterung des Ministeriums – allen voran Ministerin Hazel O'Leary.

Auch wenn O'Leary den Startschuß für die vorbereitenden Planungen gegeben und die ersten Millionen bereitgestellt hat: Das letzte Wort hat der Senat. Und es regt sich Kritik nicht nur an der eiligen Ministerin. Auch die grundsätzliche Entscheidung für Waffenforschung dieser Art wird von Abgeordneten wie Umweltorganisationen heftig angegriffen. Ron Dellums, einflußreicher kalifornischer Abgeordneter, formulierte in einem Brief an O'Leary seine Bedenken. Er sei ursprünglich für die Einrichtung gewesen, doch viele seiner Wähler seien überzeugt, das NIF unterwandere die Bemühungen um einen umfassenden Atomwaffenteststopp.

Auch aus den Reihen amerikanischer Atomwaffenexperten ist ähnliches zu hören. Spurgeon Keeny: „Amerika wird international den Anschein erwecken, den Teststopp umgehen zu wollen. Wir können nicht von anderen Staaten verlangen, auf Tests zu verzichten, wenn wir eine neue Einrichtung entwickeln, um das ganze im Kleinformat selbst weiterzutreiben.“ Daß die Einrichtung lediglich dazu dienen soll, die Sicherheit und Verläßlichkeit der vorhandenen und alternden Sprengköpfe zu gewährleisten, wie es das Energieministerium behauptet, glaubt so recht niemand. Immerhin möchte das Ministerium attraktive Forschungsbedingungen schaffen, um eine junge Wissenschaftlerelite für das Programm zu gewinnen. Und die wird sich ganz sicher nicht damit zufriedengeben, immer nur den Status quo zu überprüfen.

Zur Zeit sind US-amerikanische Bürger aufgefordert, sich mit Anregungen an einem Programm zu beteiligen, das die Umweltauswirkungen verschiedener Atomwaffenforschungsprogramme untersucht. Bis zum 11. August sollen sie bei Veranstaltungen in der Nähe geplanter Einrichtungen ihre Kommentare dazu abgeben können.

Das Energieministerium kann sich dann bei seiner Aufgabe, „auch nach dem Ende des Kalten Krieges seiner Verantwortung für den nationalen Bombenvorrat nachzukommen“ und „für erneute Tests bereit zu sein, wenn vom Präsidenten befohlen“, auf Akzeptanz und Mitarbeit der betroffenen Bürger berufen.

Das französische Gegenstück des NIF wurde kurz vor der Wahl Chiracs von der Regierung bewilligt. Es war gedacht als Teil der nuklearen Abschreckungspolitik ohne „echte Tests“. Mitterrand hatte mit Hinweis auf den Atomwaffensperrvertrag weitere Atomtests abgelehnt, während Chirac sich der Meinung einer parlamentarischen Kommission anschloß, die noch einige Tests für notwendig hält.

Für die internationalen Bemühungen um einen umfassenden Atomwaffenteststopp haben die Laserfusion und andere Simulationstechniken eine fatale Bedeutung. Das Feilschen um möglichst hohe Grenzwerte für noch erlaubte Labortests rückt für die Atomwaffenstaaten immer mehr in den Mittelpunkt. Eines der wesentlichen Ziele der Verhandlungen gerät so zusehends aus dem Blick: das Ziel Abrüstung.