Schützenhilfe für Serbengeneral

■ Karadžićs Oberbefehlshaber Mladić wagt nach kroatischen Erfolgen den offenen Konflikt mit seinem Kriegsherrn

Ratko Mladić mag den Verlust Knins nicht einfach hinnehmen, er macht sich stark für einen „Befreiungsschlag“. So sagte der Oberbefehlshaber der bosnischen und kroatischen Serben am Wochenende: „Ich habe immer wieder gesagt, daß der Krieg mit Kroatien nicht beendet ist. Aber die politische Führung hat etwas anderes behauptet und die Militärkommandeure vom Gegenteil überzeugt“, erklärte der Haudegen in der Sonntagsausgabe der Belgrader Zeitung Vecernje novosti. Mladić drohte, er werde die „seit Jahrhunderten den Serben gehörenden Gebiete der Krajina zurückerobern“.

Diese offene Drohung wirft mehrere Fragen auf: Wie war es möglich, daß sich Mladić in einer Zeitung äußern konnte, die politisch den Kurs von Serbiens Präsidenten Milošević vertritt, der angeblich die kroatische Krajina militärisch abgeschrieben hat? Warum attackierte Mladić mit seiner Kritik an der „politischen Führung“ seinen politischen Freund, den bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić, der sich anscheinend in diesem Augenblick auf einen weiteren Eroberungsfeldzug nicht mehr einlassen will?

Bis vergangene Woche waren Mladić und Karadžić ein Gespann: Beide heckten die Eroberung der ostbosnischen Enklaven Srebrenica und Žepa aus und sind für die Vertreibung von Zehntausenden muslimischen Zivilisten verantwortlich. Auf ihr Konto geht auch das spurlose „Verschwinden“ von Tausenden bosnischen Kämpfern, die möglicherweise bereits hingerichtet wurden. Nun stehen sich die beiden Kriegsherren als erbitterte politische Feinde gegenüber. Nachdem die Einnahme von Knin am späten Freitag abend bereits feststand, entließ Karadžić seinen General mit der Begründung, dieser habe militärisch versagt. Doch Mladić soll serbischen Berichten zufolge gekontert haben, er habe schon immer die „serbischen Verteidigungsstellungen“ in Kroatien ausbauen wollen; das sei ihm wichtiger gewesen als der Sturm auf die ostbosnischen UNO- Schutzzonen. Am Sonntag erreichten Mladić, das berichtet zumindest der Belgrader Rundfunk, unzählige Solidaritätsschreiben ehemaliger und noch amtierender Serbengeneräle, die den Kriegsherrn auffordern, dem politischen Serbenführer Bosniens die Stirn zu bieten. Einige der Sympathisanten leben jedoch in Belgrad, und ihnen werden enge Kontakte zu Milošević nachgesagt.

Bedeutet dies etwa, daß Milošević womöglich in den Krieg in Bosnien und Kroatien eingreifen wird? In den vergangenen Monaten hatte sich das offizielle Belgrad von den Eroberungsfeldzügen eines Karadžić und Mladić distanziert und sich für ein Einfrieren des Frontverlaufes eingesetzt. Nach dem Motto, die bestehende Kriegsbeute müsse durch internationale Verträge erst einmal abgesichert und nicht durch waghalsige Kriegsabenteuer aufs Spiel gesetzt werden, wirkte Milošević nach Ansicht von EU- und UNO-Vermittlern „mäßigend“ auf Pale und Knin. Zuletzt hatte sich der serbische Präsident in der vergangenen Woche in einem offenen Brief an Bosniens Präsident Alija Izetbegović von der Eroberung Srebrenicas sogar distanziert. Jetzt zieht es Milošević vor, zu den Vorgängen in Kroatien und Bosnien erst einmal zu schweigen. Karl Gersuny