"Blavatzkys Kinder" - Teil 20 (Krimi)

Teil 20

Dann stand sie auf, ordnete die Falten ihres Rocks, knöpfte ihre Jacke zu, ging zum Pult, legte ihr Manuskript bereit, trank aus einem Glas einen Schluck Wasser und wartete, bis Schulte am Tisch Platz genommen und sich der erste Beifall gelegt hatte.

„Guten Abend, liebe Kameradinnen, liebe Kameraden, liebe Freundinnen und Freunde des Lebenshofes. Wie Sie gehört haben, komme ich von einer langen Reise. Meine Fahrt hat mich auch nach Rußland und Indien geführt. Ich kann Ihnen berichten, liebe Freundinnen und Freunde, meine Damen und Herren, unsere Sache hat überall in der Welt Freunde. Die Große Weiße Bruderschaft, die unsere verehrte Meisterin Blavatzky im vergangenen Jahrhundert gründete, findet immer mehr Unterstützung, auch wenn wir unsere Gegner nicht unterschätzen dürfen. Unsere großen Ideen haben sich wie wertvolles Saatgut über alle Welt verteilt und sind auf fruchtbaren Boden gefallen.“

Sie sprach mit einer deutlichen, leicht schleppenden Stimme und formte die einzelnen Worte sehr genau.

„Unsere Meisterin hat bereits im Jahr 1888 in ihrem grundlegenden Werk, Die Geheimlehre, vorhergesagt, daß sich das Klima ändern wird und daß dies nur geschieht, um eine höhere Rasse auf einer höheren Entwicklungsstufe zu erzeugen. Eine Reihe von weniger begünstigten Menschen werden wie andere Mißerfolge der Natur aus der menschlichen Familie verschwinden. Sie werden nicht einmal eine Spur hinterlassen. Das ist ihre Bestimmung.“

„Ist sie nicht großartig?“ flüsterte der Arzt des Lebenshofes seiner Begleiterin zu.

Die nickte ergriffen. „Ich höre sie jedesmal gern.“

„Haben Sie schon erfahren, daß heute eine neue Lieferung eingetroffen ist?“ fragte er.

Jemand vor ihm drehte sich empört um. „Pssst!“

„Brauchbar?“ flüsterte seine Gesprächspartnerin hinter vorgehaltener Hand.

„Offensichtlich für alle Kategorien Material dabei. Ich werde sie morgen untersuchen.“ Er lehnte sich zufrieden zurück, und beide lauschten der Rednerin.

„Es ist unsere gottgewollte Pflicht, die Veredelung der Menschen zu beschleunigen. Wir alle hier haben das Glück, daß wir zur höchsten Kultur, der germanisch- europäischen, gehören. Um das Edelste aus dieser Verpflichtung zu entwickeln, müssen wir helfen, den natürlichen Prozeß der menschlichen Entwicklung zu beschleunigen, so wie die Natur es von uns will. Denkt an die Worte der großen Meisterin Blavatzky: „Ein Dezimierungsvorgang findet über die ganze Erde statt unter jenen Rassen, deren Zeit um ist. Es ist falsch zu behaupten, daß das Aussterben einer niederen Rasse ausnahmslos eine Folge der von den großen Nationen verübten Grausamkeit oder Mißhandlungen sei. Indianer, Zigeuner, Papuas, Bantu sterben aus, weil die Flutwelle der inkarnierten Egos über sie hinweggerollt ist. Ihr Verlöschen ist daher eine karmische Notwendigkeit...“

Niemand schien mehr zu atmen. Die Stimme der Rednerin drang in alle Winkel des Raums: „... Was meint Helena Blavatzky damit? Nichts anderes, als daß wir uns nicht beeindrucken lassen sollten, wenn Überreste von Völkern vergangener Epochen heute klagen, daß sie aussterben und daß wir, die überlegene Kultur, daran schuld seien. Diese Menschen haben den Höhepunkt der Entwicklungsfähigkeit überschritten. Ja, sie entwerten sogar die geheimnisvolle und großartige Botschaft ihrer Ahnen. Unsere Aufgabe ist es, die Reste der alten Kulturen, ihre Spiritualität, ihre Nachrichten aus dem Jenseits, ihre Botschaften einer neuen Zeitenwende und ihre Mysterien für uns zu entdecken und zu bewahren. Das Alte ist vorbei, und nur das Wertvolle verdient aufgehoben zu werden. Laßt uns Mitgefühl mit den aussterbenden Angehörigen der alten großen Völker haben. Aber Schuld? Nein, Schuld haben wir keine. Was der große Geist uns gebietet, liegt nicht in unserer Verantwortung.“

* * *

Pauls Modem erlaubte eine schnelle Datenfernübertragung: mehr als 28.800 bps.

„Bits per second“, erklärte er Robert. „Mit einem speziellen Programm tragen wir aus verschiedenen Mailboxen und aus Registern von elektronischen Datenbanken alle Hinweise mit den Stichworten zusammen, die uns interessieren. Also bestimmte Neonazigruppen, Aktionen, Hintergrundinformationen und so weiter. Mit Spezialprogrammen komprimieren wir diese Informationen, sonst wären unsere Speicher längst zu klein. Wir fischen raus, was wir brauchen, und blasen die Informationen wieder auf normalen Umfang.“

Fortsetzung folgt