Entenhochzeit ohne Ende

■ Mit Disney ging es los: Nach der Aufweichung der US-Mediengesetze entstehen Mediengiganten aus Programmproduzenten und Sendern. Das staatlich finanzierte Fernsehen kämpft derweil ums Überleben

Als der republikanische Bürgermeister von New York, Rudolph Guiliani, im März ankündigte, den stadteigenen Fernsehsender meistbietend zu verkaufen, hoffte er rund 70 Millionen Dollar einzunehmen. Wieviel WNYC-TV tatsächlich wert ist, wurde in der letzten Woche bekannt: Stolze 207 Millionen Dollar wollen ITT und Dow Jones, die Agentur für Wirtschaftsnachrichten, dafür ausgeben. Nicht anders als in Deutschland treffen sich auf dem amerikanischen Medienmarkt zwei Trends: Zum einen der von den Konservativen behauptete und schleichend in Gang gekommene Legitimationsverlust des nicht- kommerziellen Fernsehens (Public Broadcasting Service, PBS), zum anderen die Konzentration der privaten kommerziellen Sender in immer weniger Händen.

Die Privatisierung der städtischen New Yorker Fernsehstation kommt gleichzeitig mit zwei Übernahme-Deals: ABC geht an den Disney-Konzern (für 19 Milliarden Dollar) und CBS an den Mischkonzern Westinghouse (5,4 Milliarden). Diese US-weiten Fernseh- Zusammenschlüsse („Networks“) liefern den Markt, auf dem Programmhersteller wie Disney, ITT und Westinghouse ihre Produkte vertreiben.

Auf der politischen Ebene wurde derweil an einem neuen Gesetz namens „Telecommunication Bill“ gebastelt und um die staatliche Finanzierung von PBS gestritten. Der republikanische Gesetzentwurf konnte im Repräsentantenhaus zwar von den Demokraten entschärft werden, doch bedeutet er immer noch die weitgehende Deregulierung des Medienmarkts: Den Networks wird künftig ein Marktanteil von 35 Prozent der erreichbaren Zuschauer erlaubt (bisher 25), die Beschränkung auf eine Frequenz im jeweiligen Sendegebiet wird gelockert.

Und die einzelnen Konzerne müssen sich nicht mehr zwischen dem Besitz von Kabelnetz, Fernsehstation oder Zeitung im selben Verbreitungsbereich entscheiden. Zwar hat Clinton versprochen, sein Veto gegen die neuen Freiheiten für Medienkonzerne einzulegen – aber das kann auch wieder vom Kongreß überstimmt werden.

Entertainment regiert die Welt

Wo der ABC-Disney-Deal immer noch nicht in den großzügigen Rahmen des Gesetzes paßt, bleibt dem Disney-Präsidenten Michael D. Eisner (laut New York Times ist er „mächtiger als Rupert Murdoch, Ted Turner und jeder andere Medienbaron“) der Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung. Wie praktisch dieses Instrument sein kann, hat vor kurzem Rupert Murdoch erfahren: Die US-Medienanstalt FCC bescheinigte ihm, bei der Gründung seines US-Networks Fox zwar nicht ganz legal, dafür aber im Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit (mehr Wettbewerb unter den Networks) gehandelt zu haben – und befreite ihn nachträglich von geltenden Regeln, ohne Strafen oder Auflagen.

Zwar gaben die Abgeordneten unter dem Eindruck der Mammuthochzeiten den Medienmarkt letzte Woche noch nicht ganz frei. Doch in einem Bereich sieht die neue „Telecommunication Bill“ keinerlei Beschränkungen mehr vor: bei der vertikalen Konzentration zwischen Programmlieferanten und Programmveranstaltern.

Darüber freuen sich alle großen Unternehmen, ob Film- und Fernsehstudios, Nachrichtenagenturen, Radio- und Fernsehstationen, Kabelgesellschaften oder Online-Anbieter. Denn Entertainment hat sich zu einem internationalen Geschäft entwickelt, das erst mit ungeheuren Produktions- und Übertragungsressourcen ein Massenpublikum mobilisiert – das wiederum braucht es, um mit Werbeeinnahmen kalkulieren zu können. Und so haben sich Murdochs Fox und der Kabelgigant Time Warner schon längst mit den Spitzen-Entertainern aus den 20th Century- Fox-Studios und aus denen der Warner Brothers versorgt.

Die Perle im ABC-Disney-Deal und für Disney das Sprungbrett in den globalen Medienmarkt ist das Kabelnetzwerk ESPN mit einem Schätzwert von allein 4 bis 5 Milliarden Dollar. Eine Gründung von Getty Oil aus dem Jahre 1979, wird es von beinahe 100 Millionen Haushalten empfangen und liefert als reiner Sportkanal dem Disney- Konzern ein weltweit exportierbares Programmangebot, das im Gegensatz zu Filmen nicht wiederholbar ist. Mit ESPN hat Disney auch schon seinen Fuß diesseits des Atlantiks: 33 Prozent hält das Unternehmen an dem Satellitensender Eurosport.

ESPN löst für Disney ebenso wie Kinderprogramme das Problem, ein simultanes Werbeumfeld für eine kulturell höchst diverse internationale Zuschauerschaft zu schaffen: Die internationale Sprache „Sport“ transportiert dieselbe BMW-Reklame gleichzeitig in die Wohnzimmer der Fußballfans in Nigeria, Schweden und Südkorea, ohne daß der Programmgestalter kulturelle Unterschiede berücksichtigen muß.

Zur selben Zeit, als sich jetzt die Konzentrationsdebatte im Kongreß auf dem Höhepunkt befand, hatte PBS, die Alternative zum kommerziellen Fernsehen, mal wieder eine Abstimmung über die beantragte totale und sofortige Kürzung aller – zum Teil schon genehmigten – staatlichen Mittel zu überstehen. Ein ähnlicher Antrag war bereits im März gescheitert. Schließlich stimmten die Abgeordneten dafür, PBS auch noch 1998 mit rund 250 Millionen Dollar zu unterstützen – etwas mehr, als die Privatisierung des New Yorker Lokalsenders gerade einbringt. Stefan Matzig