Kurze Einführung in die Zeitungswissenschaft Von Martin Sonneborn

Ständig gehen irgendwelche Zeitungen ein. Manchmal freut man sich, manchmal verursacht ein derartiges Ereignis Unbehagen. Um unauffällig deren Interesse für Printmedien zu wecken, forderten Publizistik-Dozenten ihre Studenten in den frühen 90er Jahren dazu auf, Erst- und Letztausgaben neuer Magazine zu sammeln. Heutzutage könne man diverse Zeitschriften in wenigen Monaten abhaken. Als kurz darauf ruchbar wurde, daß eine postblöde Hochglanz-Illustrierte endlich eingestellt würde, eilte ich beflissen zum Kiosk und erwarb die letzte Bunte. Am folgenden Donnerstag noch eine und zwei Wochen später die absolut allerletzte. Nach drei Wochen grüßte neben der immer noch existierenden Bunte die Titanic auf dem Titel: Quick-Leser – Willkommen in der Titanic. Schöne Bescherung, die letzte Quick war natürlich längst weggekauft und ich abhängig vom Satiremagazin Bunte. Insgesamt gesehen war aber das Verschwinden der Quick genauso Grund zu hämischer Freude, wie kürzlich die Aufgabe des karmesindummen Tango.

Unbehagen dagegen verursacht dieser Tage die Nachricht, daß die deutsche Lizenzausgabe von MAD eingestellt wird. Waren nicht die MAD-Nummer 120 bis 150 schuljahrelang ein wichtiges Gegengewicht zu dem, was uns von offizieller Seite eingetrichtert wurde? Doch doch! Haben wir nicht irgendwann im Kino „Einer flog übers Kuckucksnest“ gesehen und die ganze Zeit hindurch krampfhaft überlegt, wieso wir das Gesicht der Oberschwester so genau kennen? Und dann gemerkt, daß wir Jahre vorher die MAD-Parodie auf den Film gelesen hatten, wie wir überhaupt sämtliche wichtigen Filme aus MAD kannten und wegen „Rocky“ oder „Krieg der Sterne“ gar nicht mehr ins Kino gingen? Haargenau so war es! Waren nicht die lebensnahen Werke des großen Onomatopoeten Don Martin unser wichtigster Gesprächsstoff und seine Wortschöpfungen Dichtung in unseren Ohren? Jawoll: Nur MAD-Leser wissen, daß sich das beidfüßige Stolpern mit anschließendem Langhinschlagen lautlich als SPLABABAB äußert und daß die gemeine Küchenschabe ein SKWIBIDIBIDIP von sich gibt, wenn sie zertreten wird. Niemand außer ihnen kennt die Geräusche, die entstehen, wenn eine Dame die Zigarette im Auge eines Herrn ausdrückt – SISSAFITZ! – oder bei einer Kleidträgerin eine Brust dem zu engen Gewand nach oben entschlüpft: POIT. Noch schwerer beeindruckte die Tatsache, daß zumindest die Redakteure des US- MAD auch privat ausgemachte Spaßvögel waren. Einer der jährlichen Redaktionsausflüge führte nach Hawaii, und jemand stellte fest, daß es auf der Insel genau einen Abonnenten gab. Als dieser eines Morgens seine Haustür öffnete und die gesamte MAD-Redaktion in zwei Jeeps grinsend davor fand, soll er einen ziemlichen Schock erlitten haben. SPLABADAB.

Nach 160 Nummern Abstinenz bzw. Bunte-Lektüre gehörte ich bei der letzten Ausgabe von MAD dann doch wieder zu den 30.000 verbliebenen Käufern. Das Heft lag neben der Titanic (Titelgruß: Tango-Leser – Willkommen in der Titanic) und war unkomisch, ohne Liebe gestaltet, ein billiger Abklatsch früherer Ausgaben. SKWIBIDIBIDIP. MAD-Leser – Willkommen in der taz.