Flüchtlinge mit Artillerie beschossen

■ Die UNO macht die bosnische Regierungsarmee verantwortlich / Die serbischen Flüchtlinge sind völlig erschöpft, unterernährt und von Angst gepeinigt

Zagreb/Sarajevo (dpa/AFP/ taz) – Die UNO hat die bosnische Regierungsarmee gestern schwerer Kriegsverbrechen beschuldigt. Das fünfte Korps der Regierungstruppen habe serbische Flüchtlinge in der umkämpften kroatisch-bosnischen Grenzregion mit schwerer Artillerie beschossen, sagte UN-Sprecher Alexander Ivanko in Sarajevo. Die Angriffe seien eine „schwere Verletzung der Genfer Konventionen“.

Dänische UN-Soldaten bezichtigten die Regierungsarmee, am Dienstag in der Nähe von Dvor fünf alte Menschen, darunter einen Rollstuhlfahrer, „exekutiert“ zu haben. Unterdessen wuchs die Verzweiflung unter den serbischen Flüchtlingen, die zu Zehntausenden an der kroatisch-bosnischen Grenze zwischen den Fronten festsitzen. UN-Vertreter berichteten, die Flüchtlinge seien total erschöpft, unterernährt und von Angst gepeinigt. Die Verzweiflung habe mehrere Flüchtlinge in den Selbstmord getrieben.

Die Angriffe gegen die serbischen Flüchtlinge seien an der Straße zwischen dem Grenzort Dvor und der nordkroatischen Ortschaft Glina erfolgt, sagte Ivanko. Kontakte von UN-Vertretern mit dem fünften Korps der bosnischen Regierungsarmee hätten wenigstens dazu geführt, daß „momentan“ das Trommelfeuer auf die Flüchtlinge eingestellt wurde.

Kämpfer der Krajina-Serben, die sich der kroatischen Armee noch nicht ergeben haben, hätten sich unter den Flüchtlingen verschanzt, berichtete ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation. Dadurch werde die Lage der Flüchtlinge noch bedrohlicher. Der gestern um 7 Uhr in Kraft getretene neue Waffenstillstand werde permanent verletzt. „Die Flüchtlinge sind von Angst gepeinigt“, sagte UN-Sprecher Chris Vernon in Sarajevo. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hatte am Dienstag die Zahl der festsitzenden Flüchtlinge mit 50.000 angegeben, die UNO sprach von 87.000 eingekesselten Menschen. Angesichts des Elends der serbischen Flüchtlinge wollte das IKRK gestern eine Luftbrücke ins nordbosnische Banja Luka einrichten.

Der kroatische Präsident Franjo Tudjman hat nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax das am Donnerstag in Moskau geplante Treffen mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević abgesagt. Das Präsidialamt in Zagreb teilte mit, das Treffen müsse „gründlicher vorbereitet und zudem müsse auch Bosniens Präsident Alija Izetbegović mit einbezogen“ werden. gb