Warten auf die Zukunft

■ Förderung als Therapie: Das Filmboard Berlin-Brandenburg wurde ein Jahr alt

Aufbauarbeit, sagen die Herren auf dem Podium. Volle Kraft und neue Taten. Qualität und Eigenart. „Die Zukunft“, schließt Filmboard-Geschäftsführer Klaus Keil seine Geburtstagsrede, „liegt vor der Haustür.“ Schöne Worte. Männerworte. Der märkische Sand, die Baustellen der Film- und Medienstadt lassen Western-Stimmung aufkommen. Die Hitze tut ein übriges: Klarer Fall, hier sind Pioniere am Werk.

Als die „bestbeobachtete GmbH der Republik“ (Keil) mit einem Jahresbudget von knapp 35 Millionen Mark (für 1995) vor einem Jahr ihre Arbeit aufnahm, war die Hoffnung groß. Die erste länderübergreifende deutsche Filmförderungsanstalt mit einem alleinverantwortlichen Intendanten an der Spitze versprach, daß alles anders wird und strebte eine Bewußtseinsveränderung in der Branche an: Filmförderung als therapeutische Maßnahme. Schluß mit Regalfilmen und Subventionsleichen, forderte Keil zum Amtsantritt, Schluß mit Bürokratismus, Filz und Vetternwirtschaft. Keils Zauberwort lautet Marktorientierung: 30 Prozent Eigenanteil und dazu einen Verleihvertrag verlangt er von den Antragstellern, die er gerne Kunden nennt, und setzt auf einen flexiblen Beraterstab, auf schnelle Entscheidungen, auf mehr Stoff- und Projektentwicklung, auf die Nachwuchsförderung und marketingbegleitende Maßnahmen.

Was in Hollywood gang und gäbe ist, praktiziert man heuer auch beim Filmboard. Dani Levys „Stille Nacht“ (mit 1,5 Mio. Mark gefördert) oder Rainer Matsutanis morbide Komödie „Nur über meine Leiche“ (570.000 Mark) wurden in Testvorführungen an echtem Publikum ausprobiert. Keil und sein Team bemühen sich um Transparenz, kontinuierliche und individuelle Beratung: ein löbliches Konzept, das bei der Konkurrenz in NRW, Hamburg oder Bayern hoffentlich Schule macht.

Das einzige, was zu den schönen Worten nicht so recht paßt, ist die Liste der geförderten Projekte. Die höchsten Fördersummen strichen bisher „Werner – Der Metülisator“ (4 Mio.), „Die unendliche Geschichte“ (2,5 Mio.), „Das kleine Arschloch“ (3,5 Mio.), Chantal Akermans internationale Koproduktion „A Couch in New York“ (2 Mio.) und Peter Timms neue Komödie „Die Putzfraueninsel“ (1,9 Mio) ein.

Bei so viel Mainstream und Massenware bleibt für Qualität und Eigenart bloß noch ein Taschengeld – zum Beispiel für die neuen Filme von Jim Jarmusch und Hal Hartley, die als amerikanische Independentfilmer das europäische Autorenkino um so schmerzlicher vermissen lassen. Gegenwartsfilme, Geschichten, die in Berlin-Mitte spielen, finden sich kaum in Keils Liste, ebensowenig die jüngeren deutschen Filmemacher: kein Detlev Buck, kein Kamarkar, kein Wolfgang Becker, kein Dietmar Hochmuth.

Nur Dani Levys „Stille Nacht“ und immerhin, in der jüngsten Liste, eine neues Projekt von Philip Gröning. Brauchen die anderen kein Filmboard? Müßten die sogenannten Jungregisseure, die über das mühsame Zusammenkratzen der diversen Regionalförderungen inzwischen auch schon in die Jahre zu kommen drohen, die GmbH nicht mit Anträgen bombardieren? Wer muß sich eigentlich um wen bemühen: der Intendant um die Regisseure oder die Regisseure um einen Förderer?

Keil spricht diplomatisch von Umbruchphase. Der Nachwuchs sei noch nicht soweit, und den Etablierten mangele es an zündenden Ideen, bedauert er, bittet um Zeit und verweist auf die Projektentwicklung. Zum Beispiel für „Jung, schnell, brutal“, ein Slogan, unter dem sich diverse Hochschulabsolventen zusammengetan haben. Sie versprechen deutsche Roger-Corman-Qualität: B-Pictures für die Kids. Ob die Quadratur des Kreises, unkonventionelle Filme für ein großes Publikum zu machen, sich damit bewerkstelligen läßt, glauben wir als passionierte Kinogänger aber erst, wenn wir es sehen. Christiane Peitz