Bringt Tourismus eine Öffnung?

Birma erweitert das Exotik-Angebot deutscher Reiseveranstalter, und Solidaritätsgruppen scheuen den Boykottaufruf gegen die Militärjunta des seit Jahren isolierten Landes  ■ Von Mechthild Maurer

Wieder einmal wurde ein Tourimusjahr ausgerufen. In den letzten Jahren waren es die Regierungen von Thailand, Indonesien und Malaysia, die damit den Tourismus ankurbeln wollten, um die Deviseneinnahmen zu steigern. Dies ist ihnen im vollen Umfang gelungen. Nun hat die birmesische Regierung das „Visit Myanmar Year“ für 1996 ausgerufen. Eine halbe Million Touristen sollen nach Birma strömen und die Staatskasse des korrupten Regimes füllen. Gleichzeitig hoffen die Militärmachthaber, aus den negativen Schlagzeilen zu kommen. „Touristen, die das ,wahre‘ Land sehen, werden helfen, daß die ausländische Kritik an der Regierung verstummen wird“, so die Hoffnung des 1. Sekretärs des Staatsrats zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung (Slorc) General Khin Nyant.

Tourismusunternehmen bezeichnen die für Birma prognostizierten Touristenankünfte für 1996 als ein völlig unrealistisches Vorhaben. Monika Kaeser, Inhaberin von „Leguan Reisen“ in München, wendet ein, daß es nicht ausreiche, ein Tourismusjahr auszurufen, ohne eine vernünftige Marketingstrategie dahinter zu stellen. Die birmesischen Tourimusverantwortlichen seien bisher nicht an die Veranstalter herangetreten, um, wie zum Beispiel im „Visit Malaysia Year“, ein gemeinsames Werbekonzept zu erstellen. Die Produktionen für die Saison 1995/96 liefen auf Hochtouren, und es liege nichts auf dem Tisch. „Bisher gibt es von birmesischer Seite noch nicht einmal Unterstützung für Anzeigen“, bemängelt Petra Schimmel, Pressesprecherin von Meier's Weltreisen. Sie würden zwar Birma in den nächsten Katalog mit einer Reise aufnehmen, doch dies sei unabhängig vom Tourismusjahr.

Neben den klassischen Studienreiseveranstaltern findet sich Birma zum Beispiel in den Katalogen von NUR, airtours, DerTours (Deutsches Reisebüro), Aeroworld Hamburg und Wikinger Reisen. Da es keine Charterflüge nach Bangun gibt, können die Reisebüros jedoch keine genaue Auskunft geben, wie viele Deutsche heute schon nach Birma reisen. In der Regel buchen und fliegen die Reisenden ab Bangkok oder Singapur. Diese Flüge sind ausgebucht. Doch es boomt vor allem der Duty-free-Einkauf, und in erster Linie sind Geschäftsreisende unterwegs. Wenn Birma die 500.000 Ankünfte im Jahr 1996 erreichen werde, dann nur, weil die birmesische Statistik nicht zwischen Geschäftsreisende und Touristen unterscheide, empört sich die Inhaberin von Leguan Reisen. Derzeit machen Reisen nach Birma nur einen Bruchteil der Buchungen aus. Sogar bei Asienspezialisten liegt der Anteil unter der Einprozentmarke.

Für Reiseveranstalter sei es nicht sinnvoll, Birma zu pushen, da die Infrastruktur völlig unzureichend, die Hotellerie katastrophal und das Reisen sehr teuer sei, erklärt Monika Kaeser. Die Reisenden wollten Kultur- und Badeaufenthalt miteinander verbinden. Das sei in Birma noch nicht möglich. Viele der im Bau befindlichen Hotelanlagen werden zudem nicht rechtzeitig fertig werden.

Und warum sollten Reisebüros auch Birma verkaufen, wenn doch Vietnam voll im Trend liege, argumentieren Angestellte am Counter. Vietnam sei einfacher zu erreichen, preiswerter, und die Leistungen stimmten, gerade auch für IndividualtouristInnen. Birma läßt sich laut Reiseveranstalter nur an Reisende mit Pioniergeist verkaufen. Bei anderen Kunden seien Reklamationen vorprogrammiert.

Zudem besteht bei Birma-Reisen ein gewisses Risiko für die TouristInnen. Birma-Experten zufolge müßten TouristInnen sich sehr genau überlegen, ob sie sich im Krankheitsfalle der katastrophalen birmesischen Gesundheitsversorgung anvertrauen wollen. Außerdem könnten Reisende zur Zielscheibe werden, wenn sich die politisch instabile Lage verschärfe und weiterhin einige oppositionelle Gruppen vor Gewalt nicht zurückschreckten.

Die wirtschaftliche Wende der birmesischen Regierung und die Öffnung der Tore für die Touristen wurden von den internationalen Birma-Solidaritätsgruppen kritisch verfolgt. In Deutschland gibt es von einzelnen Birma-Gruppen bescheidene Anfänge einer Öffentlichkeitsarbeit zum Tourismusjahr. Das „Birmaprojekt“ in Berlin plant zum Beispiel ein Birma-Filmfestival. Angeregt wurde es dazu durch den Film „Beyond Rangoon“ des britischen Regisseurs John Bormann, der seinen Beitrag auf dem Festival in Cannes zum Appell für die Freiheit in Birma nutzte.

Menschenrechtsgruppen, entwicklungspolitische Aktionsgruppen und die Hilfswerke halten sich bisher mit Stellungnahmen und Aktivitäten sehr zurück. Entweder fühlen sich die Gruppen zu schwach, um gemeinsame oder eigene Aktivitäten zu initiieren, oder Birma ist kein Schwerpunkt der gegenwärtigen Solidaritätsarbeit.

So hoffen in Deutschland alle auf einen Impuls von den Birma- Solidaritätsgruppen. Das „Birma Büro“ in Köln würde aktiv werden, sobald sich die Gruppen und Projekte für eine gemeinsame Strategie entschieden hätten. Doch die ist noch nicht in Sicht, nachdem die birmesische Exilregierung (NCGUB) keine eindeutige Stellungnahme abgegeben hat und vor einem direkten Boykottaufruf zurückschreckt. Einige Exil-Birmesen machen sich für einen totalen Boykott stark. Andere wollen nur eine Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne. Diese unterschiedlichen Standpunkte verhindern derzeit ein gemeinsames Vorgehen in Deutschland. Bisher gab es noch kein gemeinsames Treffen von engagierten Gruppen und Personen.

Die Uneinigkeiten bestehen auch, weil die Funktion und die Auswirkungen des Tourismus unterschiedlich eingeschätzt werden. Die einen glauben, durch den Anstieg des Tourismus werde das Militär stabilisiert. Andere, wie Khen Kin Maung Jin vom Birma Projekt in Berlin, hoffen auf einen positiven Einfluß der Touristen aus dem Ausland. Aufgrund der ein Vierteljahrhundert dauernden Isolierung Birmas wollen die Menschen im Land selbst eine Öffnung nach außen. Daher könne eine Behinderung von offenen Grenzen nicht Ziel der Exil-Birmesen sein. Das Birma Projekt setzt auf Aufklärung und glaubt, daß die Touristen mit wachen Augen und Ohren das Land besuchen werden. Die Europäische Vereinigung Birmas in Hamburg wirbt mit einem Flugblatt für Sensibilität gegenüber der Situation in Birma und gibt praktische Reisetips.

Auch Sabine Hammer vom Birma Büro in Köln hält einen totalen Boykottaufruf nicht für sinnvoll. Ihrer Ansicht nach wird das verkrustete Regime nicht fähig sein, auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen infolge einer wachsenden Tourismusindustrie zu reagieren. Die Mitglieder vom SLORC wüßten nicht, was der Tourismus in einem Land alles verändern könne!

Andererseits, wenn Birma als Reiseland unbedeutend bleiben wird, wie die Veranstalter voraussagen, dann lohne sich kaum, alle Energie in eine Tourismuskampagne zu stecken. „Vielleicht können wir“, so Sabine Hammer weiter, „durch das Visit Myanmar Year erreichen, daß die Leute auf der Straße Birma nicht mehr in Afrika ansiedeln.“ Wahrlich ein bescheidenes Ziel.