Über die Verhältnisse gelebt

■ Nach ihrem Konkurs werden die drei Infodienste der „Ökologischen Briefe“ von „Öko-Test“ herausgegeben

Sechs Jahre hatte sich der „Verlag der ökologischen Briefe“ tapfer gehalten: Weder Geldmangel noch interne Querelen konnten das Erscheinen der „Ökologischen Briefe“, der „Kommunalen Briefe für Ökologie“ und der „Arbeit- und Ökologie-Briefe“ verhindern. Doch im April dieses Jahres mußte der Verlag hoch verschuldet Konkurs anmelden.

Es hatte vielversprechend angefangen: 1989 gründete der Wirtschaftsjournalist Jürgen Räuschelin in Frankfurt den Briefe-Verlag. Sein Ziel war es, Politikern, Behörden und Unternehmern in den Kommunen eine qualifizierte und engagierte Umweltberichterstattung zu liefern. Von der Idee begeistert, fanden sich seinerzeit genügend Gesellschafter, um den neuen Verlag mit einer Million Mark Startkapital auszustatten. Ende 1989 erschienen dann kurz nacheinander die ersten Nummern der drei Infodienste. Doch der Verlag gab von Anfang an mehr Geld aus, als er einnahm, und schon 1990 kam es zur ersten Krise: Es konnten nicht genügend Abonnenten geworben werden, um die hohen laufenden Kosten zu decken. Redakteure und Mitarbeiter waren gezwungen, auf einen Teil ihres Tariflohns zu verzichten.

Auch in den folgenden Jahren gelang es nicht, die Lage nachhaltig zu verbessern. Trotz aller Bemühungen stagnierte die Gesamtauflage der Infodienste bei etwa 4.000 Exemplaren, Monat für Monat erhöhte sich das Defizit um 40.000 Mark. Damit die „Ökologischen Briefe“ nicht schon frühzeitig aufgegeben werden mußten, investierten die etwa 800 stillen Gesellschafter jedes Jahr eine halbe Million Mark.

Anfang 1995 schließlich beliefen sich die Verbindlichkeiten des Verlags auf 5 Millionen Mark, die Angestellten konnten nicht mehr bezahlt werden, und die Gesellschafter waren nicht bereit, dem Verlag mit weiteren Einlagen und Krediten zu helfen. „Die Geschäftsführung hat gegen die sich abzeichnende Pleite nicht früh genug gegengesteuert“, meint Gerd Kaminski, ehemaliger Betriebsrat bei den „Briefen“, auf die Frage nach dem Grund des Scheiterns. Geschäftsführer Räuschel weist den Vorwurf zurück und kontert, der Betriebsrat habe sich seinerseits gegen alle Änderungen gesperrt. Sicher scheint nur, daß das Marketing des Verlags unzureichend war und die Personalkosten, speziell der Verwaltungsanteil, zu hoch waren.

Am 9. April schließlich bot die Geschäftsführung die Rechte an den Infodiensten dem Öko-Test Verlag an. Symbolischer Preis: 1 Mark. Tags darauf meldete sie den Konkurs an.

Die Öko-Tester haben mit dem Kauf der Rechte das Versprechen gegeben, alle drei Briefe ohne Unterbrechung weiterzuführen. „Dafür“, so Bernd Wältz von Öko- Test, „müssen wir bis zum Ende des Jahres noch mal ein- bis zweihunderttausend Mark investieren“. Die zehn Mitarbeiter des Briefe-Verlages übernahm Öko- Test allerdings nicht, und von den zuletzt neun Redakteuren bekamen nur drei einen neuen Vertrag am alten Schreibtisch. Durch geringere Personalkosten in der Redaktion, vor allem aber durch niedrigere Verwaltungskosten und gezielte Abo-Werbung sollen die Briefe jetzt wieder flottgemacht werden. Damit sind die Infodienste zwar gerettet, verloren indes haben neben den einstigen Redakteuren die stillen Gesellschafter, die von ihrem Geld wohl nichts wiedersehen werden. Marcus Franken