„So läuft das hier nicht“

■ Echte Gefangene beurteilen nachgemachte Film-Knackis: Der Krimi „Bunte Hunde“ erlebte seine Uraufführung im Knast

Wolfenbüttel. „Ist schon ganz gut, der Film. Aber so läuft es nicht“, kommentiert Skippy den neuen Film von Lars Becker „Bunte Hunde“. Der Krimi, der am nächsten Donnerstag (17. August) bundesweit in die Kinos kommt, erzählt die Geschichte von Pepe (Peter Lohmeyer) und Toni (Til Schweiger), zwei Autoschiebern. Durch Pepes Aussage kommen beide in den Knast. Gemeinsam organisieren sie dennoch einen Geiselcoup. Die Flucht gelingt, endet aber in einem Scherbenhaufen: Tote, zerstörte Hoffnungen, verletzte Gefühle. Eine Woche vor dem Kinostart wurde der Krimi am Drehort, in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel, vor 150 Häftlingen aufgeführt.

Skippy kann den Alltag der Häftlinge recht genau einschätzen. Der 54jährige verbrachte nach eigenen Angaben 20 Jahre seines Lebens hinter Gitter. „Wenn du eine Pistole hast, kommste auf jeden Fall wie im Film hier raus“, vermutet Andreas, 33 Jahre alt und ebenfalls Häftling in Wolfenbüttel. „Schon, aber die Bullen würden die Verfolgung nicht abbrechen. Haben wir ja beim Ausbruch in Celle gesehen“, wirft ein anderer Kollege ein. „Ich kann nur jedem sagen: Kommt nicht in den Knast, das ist Scheiße“, resümiert denn auch der Hauptdarsteller Til Schweiger nach fast dreiwöchigen Dreharbeiten in Wolfenbüttel.

Der Ausbruch von vier Häftlingen aus dem Celler Gefängnis 1991 diente Regisseur Lars Becker als Vorbild: „Ich habe viel recheriert. Aber um eine Geschichte als Film zu erzählen, mußte ich mich am Ende wieder von der Realität lösen“, erläutert Becker. Ins Herz der Gefangenen hat er dennoch getroffen. Gejohle, als im Film die Gerichtsurteile für die Bande ergehen: zwölf Jahre Haft. Gelächter, als Beamte gefesselt und drangsaliert werden. „Wenn du die Bullen als Geiseln in der Hand hättest, da kommt dann die ganze Wut raus. Ich kann Pepes und Tonis Aggression verstehen“, kommentiert Peter.

„Die Atmosphäre im Gefängnis wird gut getroffen, auch wenn einige Dinge überzogen dargestellt werden“, urteilt Gefängnisdirektor Hannes Wittforth. Trotz Unannehmlichkeiten für die Angestellten der JVA – das Filmteam mußte auf Schritt und Tritt von Wachleuten begleitet werden – begrüßt er das Projekt: „Für die Häftlinge bedeuteten die Filmarbeiten ein Stück normales Leben.“ Einige der 330 Gefangenen in Wolfenbüttel sind als Komparsen in Lars Beckers Film zu sehen.

Einen spannenden Unterweltkrimi zu erzählen, aber auch eine tragische Liebesgeschichte – das ist für Lars Becker das Spannende am „film noir“, jenem Kinogenre, dem er sich verschrieben hat. „Eine Herzensangelegenheit“, sagt er. „Bunte Hunde“ konfrontiert denn auch Schauspieler, Regisseure und Häftlinge mit der Spannung zwischen Fiktion und Realität. Die Charaktere sind nicht schwarz-weiß gezeichnet, Becker will kein Gut-und-Böse-Schema.

„So läuft das nicht – die Deals mit den Bullen, eine Pistole hier so einfach rein zu schmuggeln. Aber wenn ich könnte ...“, kommen Klaus und Peter nach der Kinopremiere ins Grübeln. Ja – wenn sie könnten, die Waffe da wäre, die Freundin, die den Ausbruch organisiert oder der „kooperative“ Kommissario – was täten dann Klaus, Peter, Skippy oder Andreas?

„Im Kino mußt man fiktiv denken“, meint Lars Becker. „Til Schweiger, der könnte einer von uns sein“, gibt Klaus zu. Anita Pöhlig und Claudia Utermann (dpa)