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Deutsche Airbus-Bauer schmieren ab

Die zivile Flugzeugsparte von Daimler entläßt in Norddeutschland bis zu 11.000 ArbeiterInnen / Insider sagen: Nicht der schwache Dollar hat die Schuld, sondern das Management  ■ Von Florian Marten

Hamburg (taz) – Norddeutschlands High-Tech-Stolz steht vor einem heißen Herbst. Die auf sechs Standorte verteilte Daimler-Benz Aerospace Airbus GmbH, kurz DA, soll dramatisch schrumpfen. Das Sparkonzept „Dolores“ (Dollar-low-rescue-plan) soll die angeschlagene Daimler-Benz-Luftfahrtholding und Airbus-Mutter Deutsche Aerospace (Dasa) auch bei anhaltend niedrigem Dollar vor der Pleite retten. Von kürzlich noch mehr als 20.000 Arbeitsplätzen könnten gerade mal 11.000 übrigbleiben. Zwei der sechs norddeutschen Standorte sollen geschlossen, erhebliche Teile der Produktion „in Weichwährungsländer“ verlagert werden.

Morgen werden die Dasa- und Airbus-Betriebsräte in Hamburg, dem Sitz der Airbus-Zentrale, mit einem umfangreichen Protestkonzept an die Öffentlichkeit gehen. Mit Airbus steht eine der wichtigsten norddeutschen „Zukunftsindustrien“ zur Disposition. In Hamburg beispielsweise, gegenwärtig noch einer der größten Flugzeugbaustandorte der Welt, sind die Luftwerften (16.000 Beschäftigte) bedeutender als die auf 5.000 Beschäftigte geschrumpften Schiffswerften. Wird der Plan „Dolores“ verwirklicht – erst im Oktober entscheidet der Dasa-Aufsichtsrat endgültig – dann kann sich der deutsche Norden von seinen hochfliegenden Luftfahrtplänen zu einem guten Teil verabschieden.

Der Daimler-Chef, Jürgen Schrempp, präzisiert: „Wir müssen mit Teilen unserer Produktion im Markt Südostasiens sein, wenn wir dort Flugzeuge verkaufen wollen. Wir haben unter anderem Gespräche aufgenommen mit China und Korea.“ Karl Feuerstein, Chef des Daimler-Konzernbetriebsrates, will es noch nicht ganz glauben: „Wenn das so käme, bliebe von der Dasa in Deutschland praktisch nur noch eine Holding übrig. Wir bezweifeln, ob die dann noch überlebensfähig ist.“

Klaus Mehrens, Chef der Hamburger IG Metall, kommentiert bitter: „Da wird eine ganzer Industriezweig gegen die Wand gefahren. Wenn wir in Deutschland schon nicht mehr Flugzeuge bauen können, was sollen wir dann noch produzieren?“ Gegen schwerste Bedenken wegen der Entstehung eines großen Rüstungskonzerns hatten Gewerkschaften und der Hamburger SPD-Senat am 17. November 1989 der Fusion des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) mit Daimler zugestimmt. Hamburgs SPD-Bürgermeister Henning Voscherau damals: „Ich sehe ungeheure ökonomische Vorteile für den Norden. Es geht um das bedeutsamste strukturpolitische Vorhaben der letzten Jahre für Norddeutschland insgesamt.“

Gigantische Pläne wurden präsentiert; Hamburg sollte zur Zentrale eines neuen Sterns im Weltflugzeugbau aufsteigen. Mit einem neuen Großraumflugzeug mit 600 bis 800 Sitzplätzen, dem Einstieg in den Markt der Regionalflugzeuge bis zu 100 Sitzplätzen und dem Ausbau der Airbus-Typenpalette glaubte man, noch vor dem Jahr 2000 zusammen mit Boeing den Flugzeugweltmarkt beherrschen zu können. Inzwischen liegen die Pläne für den Bau eines Großraumflugzeugs sind auf Eis, der Airbus-Absatz bröckelt, die Entwicklung eines neuen Regionalflugzeugs steht in den Sternen.

Während Jürgen Schrempp, bis vor wenigen Monaten noch Dasa- Chef, unverdrossen tönt „bei einem Dollar von 1,60 Mark hätten wir einen guten Profit gemacht“, berichten Insider von schwerwiegenden Managementfehlern: „Der Dollarkurs ist für die nächsten beiden Jahre versichert, daran kann es jetzt nicht liegen. Die haben Boeing und McDonnell-Douglas sträflich unterschätzt, den Markt viel zu optimistisch eingeschätzt“, heißt es aus dem Unternehmen. „Und jetzt droht eine Zerschlagung des Luftfahrtbereichs mit ähnlich schlimmen Folgen wie für AEG nach der Übernahme durch Daimler.“

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