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■ Press-SchlagDie Moral vom dicken Ende

„Dicke Enden“, sagt Helmut Digel, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, „gibt es bei uns nicht.“ Das ist schön. Andererseits bejaht er den Hochleistungssport und dessen Gesetze. Zwar sagt Digel, die „guten Sponsoren“ würden ihre Förderung nicht von Medaillen abhängig machen, und tatsächlich hat man ein Mineralwasser ganzseitige Anzeigenfreude über Endlaufplätze der Sprinterinnen Paschke und Knoll heraussprudeln sehen. Zu vermuten ist: mangels Alternativen.

Die Welt hat sich geändert, und die Erfolge, die deutsche Athletinnen dereinst flächendeckend verbuchen durften, sind passé. Daß man das Erbe aus dem Osten verpulvert habe, kann man nicht sagen. Die Medaillenhalbierung (Von 34 in Rom über 17 in Tokio und acht in Stuttgart auf nun sechs) ist ja gar gestoppt. Und hat sich nun eben auf Westniveau eingependelt.

Das Problem scheint zu sein, daß zum einen der finanziell betriebene Aufwand dafür zu groß ist, zum anderen, daß die Deutschen nicht mehr, wie noch in Stuttgart, die dopingfreie und dafür auch medaillenfreie Leistung der Öffentlichkeit verkaufen können. Nachrückende Kräfte fehlen. 39 Verbände haben Medaillen gewonnen, und am besten fahren jene, die sich auf einzelne Zweige oder gar einzelne Über-Athleten konzentrieren. Die Frage ist, sagt Digel: „Kann man sich das breit gefächerte Förderungssystem noch leisten?“

Die Leichtathletik ist, das sagt man beim Weltverband IAAF ganz offen, ein „großes Theater der Welt“, und da sind 90 Prozent der deutschen AthletInnen halt Laienschauspieler. Das ist an und für sich kein Problem. Wenn da nicht die Sache mit dem „positiven Imagetransfer“ wäre.

„Wenn man auf Dauer keine Medaille hat“, sagt Helmut Digel, „wird es sehr schwer, eine Partnerschaft mit Sponsoren allein auf moralischer Basis durchzuhalten.“ Und was für Sprudelverkäufer gilt, gilt in ungleich größerem Maße für das Innenministerium. Und wenn man dem, vermuten wir, mit Moral kommt, wird das Ende dick. pu

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