■ Baubeginn am Tiergartentunnel
: Tunneltricks

Wenn im künftigen Kanzlerviertel am 26. September der Spaten in das Erdreich des Spreebogens fliegt – möglicherweise noch durch Helmut Kohl selbst –, dann liegt das nicht in technischen Sachzwängen für den geplanten Tunnelkomplex begründet, sondern ist politischem Kalkül geschuldet. Knapp einen Monat vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus sollen damit bei einem heftig umstrittenen Bauprojekt Fakten geschaffen werden. Noch bevor die Wähler am 22. Oktober an den Urnen überhaupt die Weichen für ein rot-grünes Regierungsprojekt stellen könnten, hat diese Koalition damit bereits ihren ersten Eklat. Daß die CDU höchstes Interesse am Tunnel hat und mit tätigem Wohlwollen Konfliktstoff für ein rot-grünes Bündnis anhäuft, ist nachvollziehbar. Warum aber Bausenator Wolfgang Nagel, der Rot-Grün favorisiert, einem solchen Reformprojekt auch diesen Riesenbrocken in den Weg rollt, ist weniger verständlich. Die Bündnisgrünen haben, auch wenn sie das Wort von den „Essentials“ allerorten vermeiden, deutlich gemacht, daß sie die Tunnelorgie nicht akzeptieren. Möglicherweise kalkuliert der listenreiche Bausenator im stillen, mit dem jetzigen Baubeginn ein Problem aus der Welt zu schaffen, bevor es mögliche Koalitionsgespräche belastet.

Anzeichen aber, daß sich die Grünen damit abfinden werden oder gar froh sind über eine solche pädagogische Vorfeldbereinigung à la Nagel, gibt es nicht. Tatsächlich schafft sich die SPD mit dem raschen Baubeginn ein Garzweiler, das noch schwer im Marschgepäck eines rot-grünen Senat liegen wird. Einen Kompromiß zu finden, mit dem beide Seiten ihr Gesicht wahren können, wird nach dem Baubeginn jedenfalls sehr viel schwieriger werden. Gerd Nowakowski