Gleitmittel Gottes Von Michael Rudolf

Das Schicksal hat es für rätlich befunden, daß ich von einem Haus in Wohnhaft gehalten werde, allwo die anderen sieben Parteien dem organisierten Christentum zugerechnet werden müssen, sich die evangelische Kirche als Eigentümerin versteht und den ab und an aus biologischen Gründen freiwerdenden Wohnraum stets aufs neue mit pensionierten Honorarpastoren belegt.

Es trug sich aber zu, daß Frau T. mit den Angelegenheiten der Hausverwaltung betraut wurde, und seither, wie es PastorInnen frommt, sieht auf Gottes Ordnung im und ums Haus. Alle MitbewohnerInnen frösteln schon angesichts der von ihr anberaumten Rasenmäherübungsstunden. Zudem gebietet sie über den ebenso als Pastorissimus wirkenden Schwiegersohn M., der sich hervorragend auf die Betätigung einer dieselkraftstoffbetriebenen Maschinensäge versteht. Nicht genug zu klagen über die Heimsuchung, welche er über unseren Baumbestand brachte, den ich bereits seit Äonen vor Kinderverbiß zu schützen trachte. Auch Frau N. intendiert zu Dingen, die nicht die Zustimmung zurechnungsfähiger Zeitgenossen finden dürfen. Die frischen Sägewunden nämlich pflegt sie unter lebhaftem Gebrauch besitzanzeigender Fürwörter mit Blaufichtenstecklingen zuzupflanzen. Wenn es sie aber besonders ankommt, dann hetzt sie die drei anderen Pastorengattinnen zu weiteren Flurbereinigungen auf. Hierzu schart man die in der Mehrzahl jagdscheinpflichtige Enkelschar um sich und beginnt dergestalt lärmend, singend, ja wie mit Wurst im Schuh tanzend alles zu verheeren, was sich monotheistischer Kognition widersetzt. Es sind zudem die Herren, die als Gleitmittel Gottes hienieden obwalten, aber in bezug auf ihre Automobile Frevel verschiedenster Artung ersinnen, also mit pathognomischer Verschlagenheit alles Grün zu Klump pflügen, mit ihren jeweils neuen Modellen prahlen und sich gebärden wie heidnische Eingeborene nach Glasperlenerwerb.

Besondere Begeisterung vermittelt ihnen das Fahren auf unbefestigter Flur, halstiefe Furchen und pastöse Altöltümpel hinterlassend, ferner Unterwasserfahrten im Forellenbach hinterm Haus oder das Bauen schaurig ungelenker Wellasbestverschläge, damit das Dreckblech nicht darbe. Da diese nun leider nicht mit Weihwasser betrieben werden und die Motoren die Süße des Glockenklanges strikt vermissen lassen, wenn das Gepfäff, emsig sich die Erde untertan machend, Zigtausende, was sag ich, Dutzende Male am Tag vorm Hause hin und her rast und gast, schlägt eine sonderbare Vorstellung Wurzeln in meinem geschundenen Gemüt, die mit Begriffen wie Verfehlte Schöpfung oder Verfluchte Scheiße freilich sehr sehr unzureichend nur an Kontur gewinnt.

Spätestens seit U-Bahn-Laiendiakon F. darauf verfallen ist, das Gras um seinen Bretterverschlag mit der Nagelschere auf Façon zu bringen und der konfessionell gebundene Literat G. jeden Tag einem anderen Teppich die Bastonade aufzählt, während die Sommerluft in geistlicher Trompetenmusik erstarrt, verzeichnet mein Gefühlshaushalt ein eigenartiges Schaukeln. Mit Gewißheit kann ich nur sagen, daß er irgendwo zwischen wildester Gewaltbereitschaft und finsterstem Atheismus oszilliert.