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Wasserwerker auf der Durststrecke

■ Berlin verbraucht heute ein Drittel weniger Wasser als noch 1990, und die Wasserwerke rutschen in eine Absatzkrise. Höhere Preise und Ausweitung der Aktivitäten sind geplant

Berlin ist heute längst nicht mehr so durstig wie noch vor ein paar Jahren. Der Wasserverbrauch in der Stadt ist seit 1990 um ein Drittel zurückgegangen: Flossen damals noch 380 Millionen Kubikmeter Wasser durch Berliner Wasserhähne, waren es 1994 gerade noch 230 Millionen. Auch sonst sind die Berliner Wasser Betriebe (BWB) stolz auf ihre ökologische Bilanz: Die Stadt hat genug Grundwasser in guter Qualität: „Berliner Wasser – Alles klar“, melden die Wasserwerker.

Doch wo ökologisch gehandelt und Wasser gespart wird, trübt sich die ökonomische Bilanz des Unternehmens: Ein Drittel des Umsatzes sei mit den Einsparungen vetrocknet, klagt der kaufmännische Vorstand der BWB, Ortwin Scholz. Nach 15 Millionen Kubikmeter weniger Absatz im Jahr 1994 sei für 1995 noch einmal mit einer Reduzierung um 12 Millionen Kubikmeter zu rechnen. Aus wirtschaftlichen Gründen machen die BWB in den nächsten Jahren Kläranlagen in Marienfelde und Falkenberg dicht. Der Einnahmeverlust für die Betriebe, die letztes Jahr 1,6 Milliarden Umsatz machten, liegen bei einem Preis von knapp acht Mark pro Kubikmeter um die 100 Millionen jährlich.

Es ist grotesk: Die Wasserwerker graben den eigenen Umsatzchancen das Wasser ab. Mit der Kampagne „Denk mal über Wasser nach“ animieren sie seit Jahren ihre KundInnen zum Wassersparen. Neben dem Zusammenbruch der Ostindustrie trägt besonders das umweltbewußtere Verhalten der BerlinerInnen zum Rückgang bei. Um die Umsatzeinbußen zu kompensieren, erhöht der Monopolbetrieb regelmäßig die Preise. Zahlten die WestberlinerInnen 1990 für den Kubikmeter noch 3,57 Mark, müssen sie ab Januar 1996 dafür 7,80 hinlegen. Besonders drastisch ist die Steigerung im Ostteil, wo zu DDR-Zeiten die Wasserverschwendung mit „Mondpreisen“ von 38 Pfennig pro Kubikmeter subventioniert wurde.

Nach dem Mauerfall verplanten sich die BWB im großen Maßstab: Wasserwerke und Kläranlagen für ein Berlin mit „weit über fünf Millionen Einwohnern“ bei gleichbleibendem Wasserverbrauch wurden laut BWB-Vorstandsvorsitzendem Bertram Wieczorek prognostiziert. Für 20 Milliarden sollten neue Wasserwerke, Kläranlagen und Kanäle gebaut werden. Das langsame Wachstum der Stadt und der Rückgang des Prokopfverbrauchs auf nur noch 130 von einmal knapp 160 Litern täglich machten den Wasserwerkern einen Strich durch die Rechnung. Jetzt planen sie bis zum Jahr 2003 Investitionen von 10 Milliarden.

Doch Wasser allein hat ökonomisch keine Balken. Um ihre Einnahmen zu verbessern, planen die BWB eine Ausweitung: Eine Tochterfirma soll die baltischen Staaten beim Wassersparen beraten, eine andere stellt Betonrohre her. Größter Hoffnungsträger bei der Diversifikation ist die kürzlich erworbene Lausitzer Gasanlage Schwarze Pumpe, die nur darauf wartet, organische Abfälle von Klärschlämmen bis Hausmüll zu vergasen und für die Muttergesellschaft BWB ordentliche Gewinne abzuwerfen. Auch intern sollen die Wasserwerker sparen: Ein Gutachten hat ein Einsparungspotential von 200 Millionen Mark jährlich ab 1998 ausgemacht. Von den derzeit 7.000 Stellen sollen insgesamt 1.000 abgebaut werden. Bernhard Pötter

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