Ein Unternehmer im Widerstand

Gesichter der Großstadt: Der Baustoffhändler Horst Kluwe führt den Protest gegen den Spreeausbau in Charlottenburg an und finanzierte ein Gegengutachten  ■ Von Ute Scheub

Kies. Steine. Sand. Die Fracht der Lastschiffe, die am Spreeufer in der Nähe der Charlottenburger Schleuse festgemacht haben, wird gerade gelöscht. Der Entladekran fährt hin und her, es quietscht, es rattert, es dröhnen die Motoren der Laster, die das Material abtransportieren. Wenn der Baustoffhändler Horst Kluwe aus dem Verwaltungsgebäude in seinen Betriebshof blickt, sieht er überall in kleinen Staubwolken seine Leute schuften. Noch. Denn wenn es nach dem Willen von Bundesregierung und Senat geht, stehen sie ab Ende 1996 nicht mehr im Staub, sondern unter Wasser. Die Firma Kluwe, weitere sieben Gewerbetreibende und 100 bis 200 Kleingärten sollen geflutet werden, weil das „Projekt 17 Deutsche Einheit“ hier die Begradigung der Spree und den Neubau der Schleuse Charlottenburg vorsieht.

Horst Kluwe will dem Klischeebild vom tumben Unternehmer so gar nicht entsprechen. Seine Kleidung ist leger, seine Gesten sind lebhaft, seine Ansichten unorthodox. 64 Jahre ist er alt, aber er springt umher wie ein junger Hüpfer. „Ich bin immer so in Fahrt“, sagt er und erzählt, wie er während der Anhörung im Planfeststellungsverfahren „ausgerastet“ sei. Damals wie heute sieht er „das Versagen der Berliner Behörden“ darin, daß sie „keine ernsthafte Prüfung von Alternativlösungen betrieben haben“.

Kalk. Holz. Zement. Horst Kluwe, der die Firma zusammen mit seinem 67jährigen Bruder Otto Karl führt, deutet aus dem Fenster. Täglich fahren rund tausend Lastwagen und Privatautos schwerbeladen von seinem Hof direkt auf den Stadtring. „Ohne ein einziges Wohnhaus zu passieren“, sagt er, „das ist doch ökologisch optimal. Einen besseren Standort kriege ich nie wieder.“

Der Umweltschutz, sagt er, liege ihm schon lange am Herzen. Sein Vater sei Förster gewesen und habe ihm die Natur nahegebracht. 1946 zog die Familie aus dem Mecklenburgischen mit zwei Pferden nach Berlin, wo Vater Otto mit Holz und „abgeputzten“ Trümmersteinen zu handeln begann. Horst Kluwe ist sichtlich stolz darauf, den Kleinbetrieb zu einem Unternehmen mit 200 Arbeitsplätzen hochgepäppelt zu haben: „Als Außenseiter haben wir uns gegen die großen Konzerne durchgesetzt.“ Und er ist sichtlich gekränkt, daß „der Faktor Beseitigung der Firma Kluwe“, die mit rund 250.000 Tonnen jährlich halb soviel Baustoffe umschlägt wie der gesamte Westhafen, bei den Behördenplanungen offenbar überhaupt keine Rolle spielte. Natürlich verfolgt er mit seinem Widerstand eigene Interessen, denn eine Verlagerung seiner Firma würde ihn je nach Standort 11 bis 14 Millionen Mark kosten. Aber er lehnt auch diejenigen Ausbauvarianten ab, bei denen sein Gelände ungeschoren bliebe und nur den Kleingärtnern der Boden unter den Füßen weggebaggert würde. Das ganze Projekt 17 sei ökologisch und ökonomisch „Blödsinn“, schimpft er, „völlig unabhängig von der Firma Kluwe“.

Das zu beweisen war ihm immerhin runde 100.000 Mark wert. So viel nämlich hat das von Kluwe aus eigener Tasche bezahlte Gutachten des renommierten „Zentrums für Logistik und Unternehmensplanung“ gekostet. Die Gutachter zerrissen Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit des Projekts 17 förmlich in der Luft. Der Ausbau der Strecke zwischen Berlin und Stettin sei viel dringlicher. Mit dem Schleusenneubau in Berlin würden vollendete Tatsachen geschaffen, während der Planungsstand in Brandenburg viel weniger fortgeschritten sei. Schließlich: „Nur ein einziger Schiffstyp“ der zukünftigen Binnenschiffe mache die Flußbegradigung nötig, der aber mache „nur drei Prozent des Flottenmixes aus. Die Investitionen in die Begradigung der Spree können sich nicht durch die drei Prozent der Schiffe amortisieren, die dadurch Vorteile haben“, lautet das Gutachten. Eine Verlängerung einer Kammer der alten Schleuse auf 115 Meter Länge reiche völlig aus und sei billiger. Gießkannen. Blumenkästen. Gartenbaustoffe. Die Kleingärtner links und rechts der Spree haben schon früher öfter mal bei Kluwe eingekauft, aber seit er sich so für die gemeinsamen Interessen ins Zeug legt, ist er in ihrer Achtung enorm gestiegen. Gemeinsam war man in Bonn, wo man jedoch nur bei den Grünen offene Ohren fand, gemeinsam wird man gegen den Planfeststellungsbeschluß zur Spreebegradigung vor Gericht ziehen. Kluwe lacht optimistisch: „Mein Anwalt kennt sich in diesen Dingen aus.“ Sein Name: Klaus Riebschläger, SPD- Bausenator a.D.