Affenzellen im Menschenmark

Aids-PatientInnen wird erstmals Knochenmark eines Pavians übertragen  ■ Von Wolfgang Löhr

Mit einem gewagten Eingriff wollen US-ForscherInnen Aids- PatientInnen helfen. Das Experiment ist für kommenden September anberaumt: Zum ersten Mal wird einem Menschen das Knochenmark eines Pavians übertragen. Der 38jährige an Aids erkrankte Jeff Getty aus San Francisco kämpfte lange, bis die US- amerikanische Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) grünes Licht gab. Getty, der als einer der KandidatInnen für die Übertragung gilt, hatte sich zusammen mit der Pittsburgher Immunologin Suzanne Ildstad für das Experiment eingesetzt, obwohl WissenschaftlerInnen vor einem nicht einschätzbaren Risiko warnen.

Bei ihrem Versuchsansatz geht Ildstad von der einfachen Überlegung aus, es könne gelingen, das menschliche Immunsystem durch Abwehrzellen des Pavians zu ersetzen. Im Gegensatz zu den menschlichen T-Lymphozyten, einer speziellen Art der weißen Blutkörperchen, ist dieser Zelltyp beim Pavian resistent gegen den HI- Virus. Die im übertragenen Knochenmark enthaltenen Affenstammzellen produzieren später dann HIV-resistente T-Zellen, so hoffen die ForscherInnen.

Der artübergreifende Transfer von Knochenmark ist bisher nur im Tierexperiment ausprobiert worden. Das ForscherInnen-Team von Ildstad hatte in der Vergangenheit das Knochenmark zwischen Mäusen und Ratten ausgetauscht. Seit einem Jahr lebt in Pittsburgh auch ein Pavian mit menschlichem Knochenmark. Seine Immunzellen sind jetzt zu 20 Prozent menschlichen Ursprungs. Damit das körpereigene Immunsystem die artfremden Zellen nicht angreift, mußte man das eigene Mark des Pavians zuvor mit Röntgenstrahlen teilweise zerstören. Die gleiche Prozedur steht auch Aids-PatientInnen bevor.

Ob diese Methode das Leben von Todkranken verlängert, steht dagegen in den Sternen. Während der Experte für Knochenmarkstransplantationen, Rainer Haas von der Universität Heidelberg, dem „eleganten Experiment“ in der Zeit die besten Voraussetzungen bescheinigt, warnt der Münchener Professor Claus Hammer vom Institut für Chirurgische Forschung am Klinikum Großhadern vor überzogenen Hoffnungen. Noch seien die Tierversuche nicht aussagekräftig genug, insbesondere könnten die Langzeiteffekte nicht abgeschätzt werden. Möglicherweise attackiere das neue Immunsystem die Körperzellen seines Wirtes. Der Münchner Professor rechnet auch mit den Protesten von TierschützerInnen, die sich gegen die Verwendung der Paviane als Ersatzteillager wehren. Und als Standardmethode eigne sich die Übertragung von Pavianzellen ohnehin nicht: Die Tiere gehörten zu den gefährdeten Arten, und selbst die größte Kolonie in einer Tierzuchtanlage beherberge gerade mal 2.700 Tiere.

Manche ForscherInnen treibt eine weitere Sorge um: Sie befürchten, daß Menschen sich durch Xenotransplantationen – so wird die Übertragung von artfremdem Gewebe oder Zellen genannt – mit weiteren Krankheiten infizieren. „Denken Sie nur an den Marburger Affenvirus oder den Ebolavirus“, warnt Claus Hammer. Auch wenn diese Viren, zum Beispiel HIV oder der Erreger der Hepatitis B, für die Tiere nicht schädlich sind, könnten sie doch auf den Menschen überspringen. Auch mit noch so intensiver Überprüfung der Spender sei nicht mit Sicherheit auszuschließen, daß die übertragenen Zellen verseucht sind.

Zudem könnten stumme Retroviren, die seit Generationen im Genom des Spendertieres versteckt sind, durch die neue Umgebung aktiviert werden und sich dem neuen Wirt anpassen, mutieren oder mit anderen verwandten Viren neue Kombinationen eingehen. Eine weltweite Epidemie könnte die Folge sein, befürchtet der Virologe Jonathan Allan, der mit in dem FDA-Gremium saß, das die Pavian-Versuche genehmigte. Um deutlich zu machen, was drohen kann, erinnert er nur an den HI-Virus, von dem man annimmt, daß er von den Affen auf den Menschen übersprang. Trotz dieser Bedenken hat das FDA sich für die Experimente ausgesprochen. Auflage: Sicherheitsmaßnahmen, die eine frühzeitige Entdeckung von neuen Krankheitserregern ermöglichen. Da in naher Zukunft eine Reihe weiterer Xenotransplantationen erwartet werden, will das FDA noch in diesem Jahr eine generelle Regelung für derartige Übertragungen verabschieden.

Am Klinikum Großhadern ging man mit derartigen Versuchen bisher vorsichtiger um. Vor einiger Zeit schon kursierte die Idee, Aids-PatientInnen mit dem Knochenmark eines Pavians zu helfen. Hammer: „Die Ethik-Kommission hat das aber nicht gestattet, weil es unethisch ist, zu gefährlich und ein Erfolg nicht erwartet werden konnte.“