Panische Flucht der Neonazis

Antifas und AnwohnerInnen gingen im dänischen Roskilde erfolgreich gegen den „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ der Neonazi-Szene vor  ■ Aus Roskilde Niels Rohleder

Vermummte, schwarzgekleidete Dänen gewannen am Samstag die Straßenschlacht um die Stadt Roskilde bei Kopenhagen. Allerdings waren es letztlich die Normalbürger Roskildes, die die etwa 140 aus Deutschland, Großbritannien, Schweden, Norwegen und Dänemark angereisten Neonazis vertrieben.

Im Gefängnis von Roskilde saß bis vor kurzem der US-amerikanische Neonazi Gary Lauck, über dessen Auslieferung nach Deutschland derzeit verhandelt wird. Als vergangenes Wochenende bekannt wurde, daß Dänemarks Nationalsozialistische Bewegung (DNSB) einen „Rudolf- Heß-Gedenkmarsch“ in Roskilde plante, reagierten Stadtverwaltung und Presse mit Entsetzen. Es ist in Dänemark nicht einfach, eine Veranstaltung zu verbieten, und so forderte der sozialdemokratische Bürgermeister Henrik Christiansen die Bürger schlicht auf, zu Hause zu bleiben, um jede Konfrontation mit den Neonazis zu vermeiden. Innerhalb der Kopenhagener Antifa-Szene zeichneten sich schnell zwei Linien ab: Einige wollten die „Konfrontation mit den Faschisten auf der Straße“, andere wollten sich an die Anweisungen der Polizei halten und in deutlicher Entfernung der Neonazis demonstrieren.

So lief der Polizeieinsatz am Sonnabend darauf hinaus, die Konfrontation zu verhindern und die wenigen Neonazis gegen die vielen GegendemonstrantInnen zu schützen. Das freilich gelang nur in Maßen.

Schon ab halb zwölf blockierten junge Vermummte – hauptsächlich DänInnen, aber auch Schwedisch und Deutsch war zu hören – mit dem Transparent „No Fucking Fascists!“ die Einfahrt zum Parkplatz des Museums, wo sich die Nazi-Demonstration formieren sollte. Die Polizei nahm die GegendemonstrantInnen fest – um 13.15 Uhr war die Blockade entfernt. Kurz vor 14 Uhr rollten ein dänischer Mietbus und ein Korso von meist deutschen Autos am Museum entlang.

Auf dem Parkplatz, der nun nicht mehr blockiert war, formierten sich die Nazi-DemonstrantInnen „hinter den dänischen Fahnen“, wie die Parole lautete. Etwa 140 meist junge Männer stellten sich in gerade Reihen auf. Vorne die dänischen Nationalfahnen, eine davon mit den Buchstaben DNSB und dem Hakenkreuz versehen, wie es in den 30er und 40er Jahren von der damaligen dänischen Nazipartei DNSAP verwandt wurde: weißes Hakenkreuz auf rotem Hintergrund.

Unter heftigen Beschimpfungen der umstehenden Roskilder BürgerInnen setzte sich der „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ langsam in Bewegung, an der Spitze die beiden „Führer“, DNSB-Chef Jonni Hansen und der Chef der verbotenen deutschen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP), Friedhelm Busse. Unter den bekannten ausländischen Neonazis wurden auch der Hamburger Christian Worch und der Brite Charlie Sargent erkannt.

Die trommelnden und fahnenschwenkenden Neonazis kamen nicht ans Ziel. An einer Kreuzung, ein paar hundert Meter vor dem Gefängnis, wurden sie mit Steinen und Feuerwerk von vermummten DemonstrantInnen gestoppt. Die Nazis warfen einige Steine zurück, die Polizei drängte die Nazi-Gegner sofort ab, aber für die Nazi- Demo war an der scherbenbedeckten Kreuzung dennoch Ende: Unter höhnischem Beifall der Umstehenden ordnete Jonni Hansen die Umkehr an.

Zurück auf dem Parkplatz, fühlte sich die von Anwohnern völlig umzingelte Nazi-Hundertschaft plötzlich stark genug, Flaschen in die Menge zu werfen – ein Fehler. „In den Hafen mit ihnen!“ riefen einige der Umstehenden, und die Nazis flüchteten panikartig Richtung Roskilde Fjord. Nur im Schutz der Polizeikette kamen sie überhaupt wieder zum Bus. Gegen 15.30 Uhr verließ der Bus mit einigen kaputten Scheiben Roskilde.

61 Personen wurden in Laufe des Tages verhaftet, 57 GegendemonstrantInnen und vier Nazis. Die letzteren übrigens nicht in direktem Zusammenhang mit der Demonstration, sondern weil sie in einem gestohlenen Wagen fuhren.