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Auf dem silbernen Tablett serviert

■ Kritiker des Havelausbaus übergaben den Potsdamer Abgeordneten ein modernes Märchen als Beschlußvorlage

Gleich zwei Beschlußvorlagen bekamen die Brandenburger Abgeordneten gestern nachmittag auf dem silbernen Tablett serviert. Rund zwei Dutzend AktivistInnen des Brandenburger „Aktionsbündnisses gegen den Havelausbau“ und des Berliner „Büros für ungewöhnliche Maßnahmen“ bildeten auf der Treppe zum Potsdamer Landtag ein Empfangskomitee für die Abgeordneten, unterstützt von einem Märchenerzähler, einem vergeblich nach dicken Fischen suchenden Angler und anderen seltsamen Figuren.

Auf einem Tablett balancierten sie zehn dicke Aktenordner mit Unterschriften der „Zweiten Volksinitiative gegen das Verkehrsprojekt 17 Deutsche Einheit“. Rund 37.000 BrandenburgerInnen, also weit mehr als die in der Landesverfassung vorgeschriebenen 20.000, fordern mit ihrer Unterschrift den Landtag zu einer Bundesratsinitiative auf, mit der das „Projekt 17“ – der Wasserstraßenausbau zwischen Hannover und Berlin – gekippt werden soll.

Eine erste vom „Aktionsbündnis gegen den Havelausbau“ gestartete „Volksinitiative“ war im letzten Jahr unter anderem daran gescheitert, daß der Landtagspräsident die Unterschriften von nicht Volljährigen für ungültig erklärte. Dagegen legte das Bündnis beim Landesverfassungsgericht Beschwerde ein. In dieser ungeklärten Situation wollte das Aktionsbündnis auch diesmal nicht darauf verzichten, die Unterschriften Jugendlicher abzugeben.

Die Chancen der Volksinitiative stehen angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Landtag nicht schlecht, zumal auch das Brandenburger Umweltministerium unter Matthias Platzeck (seit neuestem SPD) den Havelausbau für unsinnig hält. Anders als in Berlin hatte seine Behörde bisher keine Eile, das vorgeschriebene Raumordnungsverfahren zu eröffnen. Das soll nun voraussichtlich im September geschehen.

Die zweite den Abgeordneten auf der Treppe präsentierte Beschlußvorlage entpuppte sich als modernes Märchen über Ex-Bundesverkehrsminister Günther Krause, der weiland das Projekt 17 initiiert hatte. Auszug: „Nun begab es sich, daß aus Bonschilda der Minister für Autos, Schiffe und Bahnen im havelländischen Potschilda seinen Besuch angesagt hatte. ... In Potschilda angekommen, führte man den Minister gleich auf die große Brücke, dort wo die Übersicht am größten war. Da wollte er seinen Rat verkünden... Kaum daß der Minister anhob, hielt er schon inne. Der Rat war ihm entfallen. Sofort schauten alle die Brücke hinunter auf das tiefe Wasser, wo der Rat hineingefallen war. „Dort unten ist er!“ rief der Minister, „man muß nur ganz tief graben, dann wird man ihn schon finden.“ Und wenn sie nicht gestorben sind, dann graben sie noch heute. Ute Scheub

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