Steinerne Berliner Luft in Potsdam

Nach dem Streit um die Planung des Berlin-Brandenburgischen Landtags erneut Zweifel am Standort des Parlaments in Potsdam / Stolpe: Prämierter Entwurf nur „Diskussionsgrundlage“  ■ Von Oliver G. Hamm

Im Streit um den brandenburgischen Alleingang bei der Planung des Berlin-Brandenburgischen Landtagsgebäudes in Potsdam werden alte Suppentöpfe aufgemacht. In den Berliner CDU- und FDP-Fraktionen mehren sich die Stimmen, die den ehemaligen Preußischen Landtag, der erst 1993 von Jan Rave – einem gebürtigen Potsdamer – für rund 200 Millionen Mark zum Berliner Abgeordnetenhaus umgebaut worden war, als Parlamentsgebäude für den Berlin-Brandenburger Landtag wieder ins Spiel bringen wollen.

Der Vorsitzende des Ausschusses für die Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg im Abgeordnetenhaus, Peter Tiedt (FDP), sieht in dem Gezänk um das auf über 200 Millionen Mark geschätzten Potsdamer Projekt die Auffassung bestätigt, daß es falsch gewesen sei, schon im Staatsvertrag den Parlamentssitz in Potsdam festzulegen. Volker Liepelt, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU- Fraktion, hatte sich ebenfalls für die Nutzung des Preußischen Landtags als gemeinsames Plenargebäude ausgesprochen. Die Vorhaltungen von Berliner Parlamentariern, daß Potsdam den Bauwettbewerb allein durchgezogen habe, will der Präsident des brandenburgischen Landtags, Herbert Knoblich (SPD), noch immer nicht gelten lassen. Das Berliner Parlament habe auf Angebote zur Beteiligung an dem Wettbewerb nicht reagiert. Außerdem, so Knoblich, sei der Landtagsbau eine rein Brandenburger Angelegenheit. Der jetzige Landtag, der provisorisch in der ehemaligen Kriegsschule (zuletzt SED-Bezirksleitung) auf dem Brauhausberg untergebracht ist, benötige in jedem Fall einen Neubau. Sollte die von beiden Parlamenten beschlossene Länderfuson im Mai 1996 am Veto der Wähler scheitern, müßte das Bauprojekt entsprechend verkleinert werden: Dem Brandenburger Landtag gehören 88 Abgeordnete an, die fusionierte Ländervertretung käme auf 200 Parlamentarier.

Beim Wettbewerb wurde kein einziger Berliner Politiker als Preisrichter nominiert. Nun versucht Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), die Wogen etwas zu glätten. Bei der Eröffnung der Ausstellung sämtlicher 18 Entwürfe für den Neubau erklärte er, die mit dem ersten Preis prämierte Arbeit der Berliner Architekten Krüger, Schuberth und Vandreike sei lediglich eine „Grundlage“ für die weitere Diskussion. Der siegreiche Entwurf sieht einen aus sechs Blöcken zusammengesetzten viergeschossigen Baukörper vor, der den Plenarsaal mit umlaufendem Foyer quasi „in die Zange nimmt“. Nur das öffentlich zugängliche Erdgeschoß und die zentrale Halle sind transparent gehalten, während sich Regierungs- und Präsidiumsbereich (1. Obergeschoß), Fraktionssäle (2. Obergeschoß) und Abgeordnetenbüros (3. Obergeschoß) hinter einer Steinfassade mit schmalen Fenstern verschanzen.

Äußerlich unterscheidet sich das Gebäude, das auf den ersten Blick wie eine Kreuzung des Entwurfs von Krüger, Schuberth, Vandreike für das Kanzleramt am Spreebogen und des sägezahnartigen Alsenblocks neben dem Reichstagsgebäude aussieht, nicht von einem x-beliebigen Verwaltungsbau. Nur der Plenarsaal ist durch einen funktionslosen Überbau optisch etwas herausgehoben. Auf die prominente Lage an der Havel reagierten die Architekten dagegen mit einer schlichten Terrasse nur unzureichend. Dagegen schlagen Thomas van den Valentin, Köln (2. Preis), und der Architekt des sächsischen Landtags, Peter Kulka, Dresden (Ankauf), vor, das Gebäude in Form von parallelen Zeilen aufzulösen, die jeweils Gartenhöfe einfassen, und den Plenarsaal in Richtung Havel zu verschieben.

Doch den Mut für eine betont moderne, landschaftsbezogene Architektur, die sich auch im Kontext zu historischen Bauten zu behaupten versteht, brachte die Jury nicht auf: Das verwundert insofern, weil ihr mit Karljosef Schattner, Eichstätt, ein renommierter Fachmann vorstand, der für ebendiese Architektur bekannt geworden ist. Es scheint, als sei ein Hauch der steinernen Berliner Luft nach Potsdam herübergeschwappt.

Die Entwürfe sind bis 8. 9. im Potsdamer Landtag, Am Havelblick 8, ausgestellt; täglich 11–18 Uhr.