■ Zur Abschreckung läßt Chinas Regierung noch ein paar Verbrecher hinrichten und testet erneut eine Atombombe. Die Weltfrauenkonferenz naht. 36.000 Frauen fahren hin. Boykottieren will so recht niemand.
: Nach Peking für Frauenrechte?

Zur Abschreckung läßt Chinas Regierung noch ein paar

Verbrecher hinrichten und testet erneut eine Atombombe.

Die Weltfrauenkonferenz naht. 36.000 Frauen fahren hin.

Boykottieren will so recht niemand.

Nach Peking für Frauenrechte?

Die Tickets sind gekauft, die Visa beantragt. Schreckensmeldungen aus China können sie nicht mehr aufhalten. 36.000 Frauen aus aller Welt haben sich zur Frauenkonferenz angemeldet, und die ersten sind schon unterwegs. „Ist das nun die Erfüllung unserer feministischen Träume?“ zweifelt die Mexikanerin Rosa Rojas. „Es gibt immer weniger Geld für lokale Frauengruppen, und alle Anstrengungen der letzten Jahre sind in die Vorbereitung dieser Konferenz geflossen. Allein die Reisen der 36.000 Frauen kosten über 90 Millionen Dollar.“ Die US-amerikanische Veteranin Bella Abzug dagegen jubelt: „Was für eine starke Bewegung, die soviel Geld auftreibt!“ Einen regelrechten Sog übt diese Konferenz aus.

Ins öffentliche Bewußtsein ist die Weltfrauenkonferenz erst durch die chinesischen Repressionen gerückt. Zunächst hat die UNO elf tibetische und iranische Frauengruppen von der Teilnahme ausgeschlossen. Dann wurden in Peking DissidentInnen festgenommen, Prostituierte aus der Stadt gekarrt und Kriminelle „zur Abschreckung“ hingerichtet. Genau das hatten viele Frauen befürchtet, und schon vor drei Jahren gegen China als Konferenzort protestiert. Doch die Proteste verhallten ungehört.

Schließlich testete die chinesische Regierung auch noch ungerührt ihre Atombomben. Und plötzlich werden erneut Stimmen gegen die Weltfrauenkonferenz laut. Doch sie bleiben vereinzelt und werden von VertreterInnen aus den eigenen Reihen offensichtlich nicht immer ernstgenommen. Die Fraktion der Sozialdemokraten in Bundestag und Europaparlament fordert eine Verlegung an einen anderen Ort in Asien. SozialdemokratInnen wissen allerdings sehr genau, daß sich in der gesamten UNO wohl kaum eine Regierung bereit finden würde, diese Forderung zu unterstützen. Abgesehen davon hat es auch nie eine wirkliche Alternative zu Peking gegeben. Die chinesische Hauptstadt hatte den Zuschlag für die Ausrichtung der Konferenz im übrigen nach der brutalen Unterdrückung der Demokratiebewegung von 1989 erhalten.

Über einen Boykott der Konferenz hatte es auch schon in den vergangenen Jahren nur leise Debatten gegeben: Sowohl in den regierungsunabhängigen Frauengruppen als auch unter Politikerinnen verliefen entsprechende Ansätze oft schnell im Sande. In Schweden entschlossen sich drei Frauengruppen, nicht nach Peking zu fahren, alle anderen bereiten sich weiter vor. Im Europaparlament gab es einen Versuch, zum Boykott aufzurufen, er blieb aber ohne Echo. Die norwegische Regierungschefin Gro Harlem Brundtland wandte sich dezidiert gegen einen Boykott. In der Bundesrepublik forderte nur die kleine Frauenpartei dazu auf, hierzubleiben.

In den USA wird die Debatte um die Weltfrauenkonferenz im innenpolitischen Streit zwischen der Clinton-Regierung und der republikanischen Mehrheit im Kongreß instrumentalisiert: Wird die Präsidentengattin ihrem Wunsch, persönlich nach Peking zu fahren, nachgeben dürfen, oder muß sie sich Republikanern und Menschenrechtsgruppen beugen und zu Hause bleiben? Auch die Republikaner allerdings haben nicht gefordert, daß die USA keine Regierungsdelegation schicken.

Einen vollständigen Boykott verlangen in den USA vor allem fundamentalistische Christen. Sie werfen der UNO vor, durch die Konferenz der weltweiten Ausbreitung von freier oder gar lesbischer Liebe Vorschub zu leisten und Abtreibungen und Sterilisationen zu propagieren.

Austragungsort der Debatte um die Frage, ob eine Reise nach Peking – zur offiziellen Konferenz vom 4. bis 15. 9. oder zum fünf Tage zuvor beginnenden alternativen Forum der regierungsunabhängigen Gruppen – moralisch zu rechtfertigen sei, ist der Westen. Vor allem in Asien, wo drei Fünftel der Frauen der Welt leben, steht die Teilnahme an der Pekinger Konferenz außer Frage: Gerade die Feministinnen aus jenen Staaten, in denen ein autoritäres oder repressives Regime herrscht, setzen große Erwartungen in das Weltfrauentreffen. Für viele bietet das Forum eine internationale Plattform, die ihnen sonst verschlossen bliebe. Mit gewisser Bitterkeit weisen Frauen aus den Philippinen oder Thailand oft darauf hin, daß die WestlerInnen es sich eben leisten könnten, auf eine solche Öffentlichkeit zu verzichten.

Die weltweite Empörung über die Politik der chinesischen Regierung im Vorfeld der Frauenkonferenz führt offensichtlich nicht dazu, daß die Veranstaltung wegen Mangel an Beteiligung ausfällt. Aber sie zwingt möglicherweise die anreisenden Delegationen, die chinesischen Gastgeber schärfer als geplant auf die Menschenrechte anzusprechen. „Man muß sich entscheiden: wegschauen oder hinsehen, schweigen oder Menschenrechtsverletzungen offen ansprechen“, so vergangene Woche Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth. Es sei die Pflicht der UNO und der Mitgliedsstaaten, Unrecht klar beim Namen zu nennen.

Das sollte sie der Leiterin der deutschen Delegation, Frauenministerin Claudia Nolte, klarmachen. Karin Gabbert, Jutta Lietsch