Das katholische Kirchenvolk begehrt auf

■ Eine Initiative „Wir sind Kirche“ sammelt Unterschriften gegen das Zölibat und für eine Gleichberechtigung von Frauen – sehr zum Ärger der Bischöfe

Berlin (taz) – „Liebe Mitbrüder, eine Initiative unter dem Namen ,Wir sind Kirche‘ beabsichtigt, in allen deutschen Pfarrgemeinden Unterschriftenlisten auszulegen, um ein sogenanntes Kirchen- Volksbegehren durchzuführen.“ So beginnt ein Brief des Kölner Erzbischofs Joachim Meisner an alle Priester, Diakone und Mitarbeiter des Erzbistums Köln. Der katholische Kardinal fühlte sich Anfang August persönlich bemüßigt, all seinen Untergebenen mitzuteilen, er könne diese Initiative nicht unterstützen. Immerhin gingen die Initiatoren des Basisbegehrens von einem Kirchenverständnis aus, „das der katholischen Glaubensüberzeugung fremd ist.“ Und der Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba polterte schon: „Die katholische Kirche ist keine Volksherrschaft oder Demokratie, sondern in Gott begründet.“

Denn das Kirchenverständnis, das die Initiative „Wir sind Kirche“ mit ihrem Volksbegehren einfordert, geht im Gegensatz zu den vorherrschenden Hierarchien von einer „geschwisterlichen Kirche“ aus. „Bischof soll werden, wer das Vertrauen des Volkes genießt“, heißt es da unter anderem. Neben der Abschaffung des zwangsweise verordneten Zölibats fordern die InitiatorInnen von der katholischen Kirche endlich die volle Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche und eine „positive Bewertung der Sexualität“. Geht es um Homosexualität, Abtreibung oder Verhütung, so soll künftig „mehr Menschlichkeit statt pauschaler Verurteilungen“ herrschen.

Den Wirbel, den diese Forderungen unter den katholischen Würdenträgern auslösen, entfachte der Stadtplaner und engagierte Katholik Christian Weisner Ende Juli in seiner Hannoveraner Zweizimmerwohnung. Ausgestattet mit Faxgerät, Computer und Kopierer begann der 44jährige, Priester und Laien mit den Verlautbarungen des Kirchenvolksbegehrens zu bombardieren. Seither steht das Telefon bei ihm nicht mehr still. In 23 von 27 katholischen Diözesen haben Priester oder Laien schon ihre Unterstützung für das Volksbegehren zugesagt. Kontaktgruppen, die sich hinter die Forderungen stellen, existieren mittlerweile in mehr als 200 deutschen Städten. Ab dem 16. September soll das Kirchenvolksbegehren in allen 13.000 Pfarrgemeinden Deutschlands ausliegen. Acht Wochen lang haben Katholikinnen und Katholiken dann Zeit, sich mit ihrer Unterschrift zu den Forderungen des Volksbegehrens zu bekennen.

In Österreich sorgte eine solche Aktion vor knapp zwei Monaten für Furore. Über eine halbe Million Gläubige hatten sich dort für die Priesterweihe von Frauen und Männern und für die Abschaffung der zwangsverordneten Ehelosigkeit von Priestern ausgesprochen. Eine ähnliche Aktion unter dem Titel „Petition Kirche 95“ läuft in der Schweiz bis Ende August. Etwa zweieinhalb Millionen Unterschriften müßten in Deutschland zusammenkommen, um ein mit Österreich vergleichbares Ergebnis zu erlangen. Das meint zumindest Rudolf Hammerschmidt, Sprecher des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz. Er räumt der Aktion daher keine Chancen ein. Doch eine Forsa- Umfrage spricht eine ganz andere Sprache: 76 Prozent der KatholikInnen halten danach das Volksbegehren für richtig. 84 Prozent der Befragten sind dafür, daß das Zölibat abgeschafft wird. Und drei Viertel von ihnen befürworten Frauen im Priesteramt.

Mißtrauisch beobachtet wird dieser Trend auch vom Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. Zugleich bemühte sich die Präsidentin des ZK, Rita Waschbüsch, prompt zu betonen: „Unterschriftensammlungen zu kirchlichen Fragen sind selbstverständlich möglich und auch kein Unglück.“ Dieser Kommentar ist „eine Farce“, meint Karin Kortmann. Die Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen katholischen Jugend (BDKJ) initiierte auf dem letzten katholischen Kirchentag 1994 in Dresden gemeinsam mit dem Präses des BDKJ, Rolf-Peter Cremer, eine Unterschriftensammlung, in der es um die Öffnung der Kirche für Frauen ging. Deutschlands Bischöfe reagierten umgehend. Sowohl im Herbst letzten Jahres als auch in diesem Frühjahr war die Unterschriftensammlung von Dresden Thema der Deutschen Bischofskonferenz. Kortmann und Cremer wurden massiv gemaßregelt. Beide wurden als BeraterInnen der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz entlassen. Cremer wurde darüber hinaus die Leitung der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge entzogen.

Die Forderungen des Kirchenvolksbegehrens, so Karin Kortmann, könne sie jederzeit unterschreiben. Doch ob die Initiative Erfolg haben wird, bezweifelt sie. „Egal, ob sie 500.000 oder drei Millionen Unterschriften zusammenkriegen, das wird die Bischöfe doch nicht dazu bringen, Entscheidungen zu revidieren.“ Heinz Koopmann, Geschäftsführer der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG), ist optimistischer: „Für mich ist das eine schriftliche Demonstration in der Kirche!“ Er ist gespannt, wie die Verantwortlichen reagieren. Karin Flothmann