Vorlauf
: Kein Notruf

■ betr.: "Eiserne Engel"

„Eiserne Engel“, So., 23 Uhr, ARD – Wenn andere unsanft in der Leitplanke gelandet sind, dann heben sie ab, die „Eisernen Engel“. Über 600.000mal wurden die 50 deutschen Rettungshubschrauber seit 1970 alarmiert. Aus nächster Nähe hat der Berliner Dokumentarfilmer Thomas Schadt der Arbeit der fliegenden Ärzte mit der Videokamera dokumentiert und sich dabei auf eine extreme Gratwanderung begeben. Allzu lärmend klingen uns noch TV- Shows wie „Notruf“ oder „Retter“ in den Ohren.

Schadt hat jedoch in seinen früheren Filmen bewiesen, daß er nicht nur auf der Jagd nach spektakulären Bildern ist. Im „Autobahnkrieg“ ließ er sich von Rasern als Tramper mitnehmen und dokumentierte das Selbstverständnis der Bleifüße bei 195 km/h. In „Elf Freunde müßt ihr sein“ blickte er hinter die Kulissen des FC Bayern München. Auch in „Eiserne Engel“ gibt eine ebenso einfache wie starke Grundidee die filmische Form fast vollständig vor. Mit der Kamera begleitet Schadt drei Notärzte bei mehreren Einsätzen. Ein Kragenmikrophon hält jede ihrer Äußerungen sowie die Geräusche der Maschinen und medizinischen Geräte als O-Ton fest. Gegenüber der akustischen Unmittelbarkeit hält die Kamera eine der jeweiligen Lage angemessene Distanz.

Die Notärzte müssen jeden Moment einsatzbereit sein. Ihr Dienstalltag wechselt zwischen Stumpfsinn und Hyperstreß. Die Dramaturgie steigert sich entsprechend der Schwere der Ünglücksfälle. Die Direktheit des Films wird durch zwischengeschnittene Interviews mit den Ärzten und ihren Assistenten wieder gebrochen. Ihre schwerverletzten Patienten würden in Krankenhäusern nicht gerne gesehen, klagen die Ärzte. So mancher „Christopher“ dreht Warteschleifen.

Etwas cremig sind allein Schadts überkorrekten persönlichen Anmerkungen. Inmitten einer Massenkarambolage mit mehreren Toten fragt der Dok-Filmer sich plötzlich, „was ich trotz meiner Kamera hier soll und beschließe, die Dreharbeiten abzubrechen“. Trotz einiger Ecken und Kanten ein ungewöhnlicher, interessanter aber nicht ganz unproblematischer Film. Er wird auch vom ADAC vertrieben. Manfred Riepe