Blumenkinder heilen mit Blüten

Stiftung Warentest warnt vor der Bach-Blüten-Therapie: harmlos und ohne Wirkung  ■ Von Colin Goldner

Spätestens seit die wundertätigen Tinkturen dem Fernsehpublikum in drei Sendungen der Talk- Show „Schreinemakers live“ ans Herz gelegt wurden, erfreut sich die Bach-Blüten-Therapie zunehmender Beliebtheit. „Der Absatz unserer Bücher ist gigantisch“, erklärt die Deutschland-Zentrale der Blumenkinder, das Institut für Bach-Blüten-Therapie in Hamburg. Selbst von ausverkauften Apotheken konnte man lesen.

Die in Berlin ansässige Stiftung Warentest freilich warnt vor der Heilmethode aus dem weiten Feld der Alternativ-Medizin: „Bach- Blütenmittel sind zur gezielten Behandlung von Krankheiten nicht zu empfehlen“, heißt es im Buch „Die andere Medizin“. Und das Münchner „Forum Kritische Psychologie“ hält die Therapie für eine „Mischung aus Scharlatanerie, Aberglauben und Geschäftemacherei“.

Von dem englischen Arzt, Homöopathen und Wunderheiler Edward Bach (1886–1936) in den dreißiger Jahren entwickelt, versteht sich die nach ihm benannte Therapie nicht nur als Allheilmittel gegen jedwede körperliche Erkrankung, sondern als ganz besonders „segensreich bei psychischen und psychosomatischen Störungen“. Bach zufolge gilt es, „negative Gedanken und Gefühle in Harmonie“ zu bringen, um zu gesunden. Zu solcher Harmonisierung bietet die Bach-Blüten-Therapie ein Sortiment aus 38 Blütenessenzen verschiedener Pflanzen, Sträucher und Bäume an sowie das Wasser einer Quelle, die unweit der britischen Universitätsstadt Oxford sprudelt.

Ihre Heilkraft entfalten die Pflanzen dabei durch die Übertragung ihrer Energie auf die PatientInnen. Biochemische Wirkprozesse wie bei herkömmlichen Medikamenten wurden wissenschaftlich bislang nicht untersucht, sagt Beate Engdrocks vom Hamburger Bach-Blüten-Institut. Die heilende Wirkung der Naturelixiere sei aber durch unzählige PatientInnen-Berichte im Verlauf von sechzig Jahren belegt.

Die Blüten oder Pflanzenteile werden an einem sonnigen, wolkenlosen Tag morgens vor 9 Uhr gesammelt. Gleichfalls unter Einhaltung ritueller Vorschriften legt man sie anschließend für kurze Zeit in wassergefüllte Kristallschalen, wobei das kühle Naß die positive Pflanzenenergie aufnimmt. Nach der Entfernung der Blüten wird die Flüssigkeit mit der gleichen Menge Alkohol (Cognac oder Brandy) versetzt und später, kurz vor der Anwendung, nochmals im Verhältnis 1:240 mit Wasser verdünnt. Bach, ein Anhänger der Lehre des Schweizer Psychoanalytikers Carl Gustav Jung, schrieb den von ihm „intuitiv“ ausgewählten Pflanzen bestimmte „Charaktereigenschaften“ zu. Die Einnahme der Energieessenz dieser Pflanzen soll damit korrespondierende „Charakterschwächen“ heilen, die ihrerseits Ursache verschiedenster Erkrankungen seien: Rotbuchen-Essenz etwa wirke bei Kritiksucht, Arroganz und Intoleranz, die Essenz der Stechpalme bei Eifersucht, Mißtrauen und Neid, die des Gelben Sonnenröschens bei akuten Angstzuständen. Lärche sei das Mittel der Wahl gegen mangelndes Selbstvertrauen. Bestandteile der Edelkastanie würden gegen Depression helfen. Für besondere Notfälle gibt es sogenannte „Erste-Hilfe-Tropfen“, eine Essenz aus fünf verschiedenen Pflanzen, deren Einnahme Schock, Panik und Ohnmacht verhindern soll. In einem Lehrbuch werden Bach-Blüten-Mittel auch bei Vergewaltigung und Mißhandlung empfohlen.

Die Blütenessenzen, vergleichbar homöopathischen Mitteln in Hochpotenz, enthielten außer dem Alkohol keinerlei nachweisbare Wirkstoffe, versucht das „Forum Kritische Psychologie“ mit der Esoterik aufzuräumen. In chemischen Laborversuchen ließe sich nicht der geringste Unterschied zwischen den einzelnen Flüssigkeiten feststellen. Auch die Behauptungen von „feinstofflicher Energieübertragung“ seien gänzlich unbelegt. Es gebe außer der „Intuition“ Bachs keinerlei Erklärung für den angeblichen Zusammenhang zwischen bestimmten Blüten einerseits, Charaktereigenschaften und Erkrankungen andererseits.

Die Stiftung Warentest hält die Blumenelixiere für „harmlos“. Nebenwirkungen seien nicht bekannt. Ähnlich wie die Darmstädter „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ warnt die Stiftung jedoch davor, im Vertrauen auf die Bach- Blüten die erforderlichen und verfügbaren Therapien der Schulmedizin zu versäumen. Ansonsten könnte das Blumenwasser bei gläubiger Erwartungshaltung der PatientInnen eine unspezifische Placebo-Wirkung haben, mehr sei jedoch nicht zu erwarten.

Ein Zehn-Milliliter-Fläschchen der Esoterik-Tropfen, die zum größten Teil im britischen Ort Sotwell bei Oxford hergestellt werden, kostet zur Zeit 25 Mark. Das komplette Sortiment mit 38 Essenzen und zwei Flaschen Nottropfen ist schon für 298 Mark zu haben.