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■ FlaschenpostBessere Gesellschaft

Bei frisch auf Tahiti angekommenen Besuchern läßt sich oft ein Verhaltensmuster studieren. Der Besucher geht in eine Snackbar, nimmt sich die vor ihm liegende Karte und fängt zu rechnen an. Dann blickt er kurz auf. Dann rechnet er noch mal: Also, eine Null wegstreichen und durch sechs dividieren – das repetieren etwa deutsche Besucher vor sich hin. Es bleibt dabei. Der O-Saft kostet 8 Mark, und wer gar Appetit auf die tahitianische Spezialität Poisson cru verspürt, dem wird dieser gleich wieder vergehen: Ein kleines Schälchen Salat mit rohem Fisch und Kokosmilch soll 16 Mark wert sein.

Ach ja, gehört Tahiti nicht zu den Gesellschaftsinseln? Jetzt fällt der Groschen. James Cook, der alte Kapitän, hat die 14 Inseln nicht so genannt, weil sie so gesellig beeinander liegen. Tun sie ohnehin nicht mit oft 100 Kilometer Entferung zwischen den Inseln. Nein, nein, die Inseln wurden von irgendeiner frühen Fremdenverkehrsbehörde so genannt: Vorsicht, Eintritt nur für die bessere Gesellschaft!

Die Tourismus-Manager auf der Insel bestreiten das vehement. Die tahitianische Verwaltung beklagt immer wieder, daß die prohibitiv hohen Preise die Entwicklung einer tragfähigen Tourismusindustrie behinderten. Nein nein, schuld an den Preisen ist die Bombe.

Es war ja nicht immer so, daß die allermeisten Lebensmittel von weit her eingeflogen werden mußten. Immerhin hatten die Polynesier auch schon vor der Erfindung des düsenbetriebenen Welthandels auf ihren Inseln überlebt, und zwar, wie man hört, nicht schlecht. Das änderte sich jedoch 1962 mit Ankunft des CEP, des Zentrums für Pazifik-Experimente.

Seither brauchen die Franzosen massenhaft heimische Arbeiter für ihre Bombentests und die dazugehörige Verwaltung. Sie zahlen gut, um die Bauern und Fischer zur Aufgabe ihres bisherigen Jobs zu bewegen. Die meisten der Arbeitskräfte bleiben dort, wo sie angesiedelt wurden: in der Stadt. In der und um die Hauptstadt auf Tahiti lebt heute die Hälfte der 200.000 Einwohner Französisch-Polynesiens.

Wenn nicht die Regierung in Paris die Rechnung bezahlte (1,5 Milliarden Mark im Jahr), gäbe es hier inzwischen tatsächlich nicht mehr viel zu essen. Fisch, Papayas, Yams und Süßkartoffeln sind noch teurer als so manches importierte Lebensmittel. Denn Landwirtschaft und Fischerei finden nur noch in Ausnahmefällen statt – bald wahrscheinlich nur noch in eigens eingerichteten Erlebnisparks für die Touristen. Wenn die sich deren Besuch dann überhaupt noch leisten können. Nicola Liebert

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