Leichen und Kunst

■ Krankenhaus Friedrichshain: Die Pathologie lagerte fremde Leichen und machte Fotos / Chefarzt wurde gefeuert

Allzu salopper Umgang mit Verstorbenen bringt das Krankenhaus Friedrichshain ins Gerede. Weil er zwei Leipziger Kunststudenten die Genehmigung gegeben haben soll, Leichen während der Obduktion zu fotografieren, wurde der Chefpathologe des Krankenhauses, Professor Gerhard R., fristlos gekündigt. Zuvor war bei der Innenrevision aufgefallen, daß zwei Sektionsgehilfen im Auftrag privater Bestattungsunternehmer Leichen in den Kellern gelagert und dafür Geld genommen hatten. Darüber hinaus sollen die inzwischen gekündigten Männer auch Gegenstände der Toten unterschlagen haben.

Bei der Überprüfung der Aufsichtspflicht des verantwortlichen Chefpathologen Professor Gerhard R. durch die Senatsverwaltung flog dann auch die Sache mit den Leichenfotos auf. Wie Gesundheitssenator Peter Luther der taz mitteilte, handele es sich bei den Aufnahmen um „Bilder, die gegen Ethik und Moral verstoßen“. Der Professor habe der Krankenhausleitung mitgeteilt, daß zwei Kunststudenten ein Foto- Projekt über betende oder ruhende Hände planten. Die später aufgefundenen Fotos hatten allerdings nicht mehr viel mit ruhenden Händen zu tun. Auf den Fotografien waren aufgeschnittene Leichen zu sehen. Teilweise waren die Bilder während der Sektion aufgenommen worden. Damit habe sich der Chefpathologe datenschutzrechtlicher, ärztlich-ethischer, aber auch strafrechtlicher Verstöße, wie Störung der Totenruhe, schuldig gemacht, erklärte Luther. „So etwas können und werden wir nicht gestatten“, meinte er. Die Klinikleitung habe eine außerordentliche Sitzung einberufen, bei der die Vorfälle geklärt und über die Kündigung eines weiteren Mitarbeiters entschieden werden sollte. Auch die Herkunft von rund 300 Präparaten wie Gehirnteile, Därme und Föten, die von der Gesundheitsverwaltung in der Klinik gefunden worden waren, ist nicht geklärt.

Dies ist nicht der erste Fall, in dem es zu Unregelmäßigkeiten und pietätlosem Umgang mit Toten in pathologischen Instituten kam. Seit 1994 ermittelt die Polizei gegen einen Angestellten der Pathologie der Nervenklinik Spandau. Er soll Fotos von Leichenteilen gemacht haben, um sie angeblich für ein Seminar zu nutzen, und fiel auf, als er die Bilder zum Entwickeln gab. Die Mitarbeiter des Fotolabors alarmierten sofort die Polizei.

Im April 1994 mußte wegen unsauberer Geschäfte auch der Chefpathologe des Urbankrankenhauses abtreten. Unter seiner Regie degradierten Sektionsgehilfen die ihnen anvertrauten Leichen zu Ersatzteillagern und verschacherten massenhaft Hirnhäute an eine Firma in Melsungen. Diese bezahlte den Lieferanten bis zu dreißig Mark pro Hirnhaut. Peter Lerch