■ Antifa-Militanz – Überfall auf einen Anwalt von Neonazis
: Körperliche und unkörperliche Delikte

Die bis dahin recht undramatische Berufungsverhandlung im Hamburger „Auschwitz-Mythos“-Prozeß erfuhr außerhalb des Gerichtssaales eine jähe Wende. Der Verteidiger der Angeklagten, der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger, wurde von einer Gruppe Maskierter auf offener Straße überfallen und zusammengeknüppelt. Ein 21jähriger iranischer Student konnte gestellt werden. Beherzte Augenzeugen des Überfalls eilten dem Opfer zu Hilfe und verhinderten die Flucht eines der mutmaßlichen Attentäter. Riegers Tagesform war vorgestern weit entfernt von jenen Auftritten, für die er in einschlägigen Neonazi- Prozessen berüchtigt ist. Der Überfall war also keine spontane Reaktion (was widerwärtig genug wäre), sondern eine kühl geplante Strafaktion, die dem „Rechts-Beistand“ von Neonazis, dem dilettierenden Rassenforscher, dem verhaßten politischen Gegner galt.

Man hatte schon gedacht, heruntergekommene Antifa-Militanz dieser Art gebe es selbst in der Hamburger Provinz nicht mehr. Der feige Überfall zeigt jedoch, daß manch ein Wirrkopf es mit der großmäuligen Parole der Weimarer KPD-Stalinisten hält: „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!“ Zudem findet sich ein Journalist, der seine halbstarken Phantasien nicht zügeln kann und zu der „längst überfälligen Aktion“ (die er am Ende milde tadelt) bekennt: „Manchmal juckt es auch mir in den Fingern.“ (taz- Hamburg vom 31. 8.). Das ist schockierend und macht zornig. Solche Schlägertrupps treffen niemals den Richtigen, sondern mit dem Opfer stets auch die politische Kultur.

Es ist zu hoffen, daß die demokratische Öffentlichkeit diese Attacke auf die körperliche Unversehrtheit eines Rechtsanwaltes nicht mit lauer Indifferenz herunterspielt. Es ist zu hoffen, daß es Strafverteidiger in Hamburg gibt, die ihre Berufsausübung gegen jedwede Politschläger öffentlich behaupten. Sie können getrost ihre Solidarität mit einem zusammengeschlagenen Kollegen erklären, ohne den läppischen Vorwurf zu fürchten, man fraternisiere mit einem neonazistischen Bösewicht. Eines immerhin darf man dem sich fortschrittlich dünkenden Rollkommando zugute halten: Es hat wirklich „schlagend“ vor Augen geführt, welch substantieller Unterschied besteht zwischen unkörperlichen Äußerungsdelikten und handfesten Taten. Horst Meier

Jurist und Autor, lebt in Hamburg