Die Gutbetuchten zahlen auch für die Schwachen

■ Studenten in Witten-Herdecke entwickelten einfallsreiches „Sonder-Bafög“

Berlin (taz) – Wer zur deutschen Elite gehören möchte, muß tief in die Geldbörse der eigenen Eltern greifen. Denn das Studium an Deutschlands privaten Universitäten ist nicht gerade billig. 5.500 Mark kostet das Semester an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Koblenz, gar 8.100 Mark an der European Business School im hessischen Oestrich-Winkel. Ganz anders sah es bislang an der Privatuni Witten-Herdecke in Nordrhein- Westfalen aus. Wer hier Medizin, Wirtschaftswissenschaften oder Biochemie studierte, mußte keinen Pfennig bezahlen. Doch diese Zeiten sind vorbei.

Der Wittener Privatuni, die sich in den vergangenen zwölf Jahren in erster Linie durch Stiftungsgelder und Einnahmen der universitätseigenen Zahnklinik finanzierte, gingen die Spender aus. Und eine avisierte Finanzspritze der nordrhein-westfälischen Landesregierung in Höhe von sechs Millionen Mark stopft das Loch nur vorläufig. Zähneknirschend mußten die Wittener StudentInnen mit ansehen, wie ihr Präsident Konrad Schily sich beim nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium für die Einführung von Studiengebühren stark machte. „Gebührenfreiheit entmündigt“, meint der Otto-Schily- Bruder. Ab dem Wintersemester sind seine StudentInnen nun mündig – sie werden zur Kasse gebeten.

450 bis 550 Mark pro Monat kostet das Studium künftig. Für das Vollstudium der Medizin errechnete die Unileitung pauschale Kosten von 29.700 Mark. Das auf nur vier Semester angelegte Zusatzstudium der Musiktherapie ist schon für einen Pauschalbetrag von 10.800 Mark zu haben. Die Gesamthöhe der Studiengebühren ist pauschal festgelegt, unabhängig von der Dauer des Studiums.

Damit Witten-Herdecke dennoch nicht zu einer Elite-Kaderschmiede für die Kinder betuchter Eltern gerät, entwickelten die Studentinnen und Studenten der Privatuni im Sommer dieses Jahres ein Modell zur sozialen Verträglichkeit. Sie gründeten die StudierendenGesellschaft e.V., die es allen StudentInnen ermöglichen will, ihre Studiengebühren erst zu bezahlen, wenn sie selbst im Berufsleben stehen.

Die StudentInnen können künftig zu Beginn ihrer Ausbildung entscheiden, ob sie die Gebühr sofort und monatlich oder erst nach dem Abschluß bezahlen. Wer die Gebührenrechnung erst nach Ablauf des Studiums begleicht, muß acht Jahre lang acht Prozent des eigenen Einkommens abgeben. „Wer weniger verdient“, so Katja Groote von der „StudierendenGesellschaft“, „der zahlt letztlich weniger als die gesamte Studiengebühr. Die Besserverdienenden unterstützen auf diese Weise diejenigen mit geringem Einkommen.“ Zahlen muß, wer nach dem Studium mehr als 2.000 Mark monatlich verdient. Und auch eine Obergrenze gibt es. Der Beitrag in Höhe von acht Prozent wird nur bis zu einem Einkommen von 45.000 Mark monatlich kassiert.

Künftig, so entschieden Hochschulleitung und akademischer Senat der Uni, übernimmt die „StudierendenGesellschaft“ die Verwaltung der Studiengebühren. Zur Zwischenfinanzierung vorgestreckter Studiengebühren steht die Gesellschaft zur Zeit in Verhandlung mit diversen Geldinstituten. Immerhin wollen 60 Prozent der neu immatrikulierten MedizinstudentInnen die Gebühr erst nach Abschluß des Studiums bezahlen. Karin Flothmann