Einigungsvertrag

■ Herz ist Trumpf in der "Kanzlei Bürger": Am kommenden Montag startet Heiner Carows Anwaltsserie im Ersten

Idyllisch ist es im Brandenburgischen. Wälder, Wiesen, Wasser, verschlafene Dörfer – ein Naherholungsgebiet für die gestreßten Berliner. Aber die Menschen, die hier leben, gehen natürlich nicht den ganzen Tag spazieren, dafür haben sie viel zu viele Sorgen. Um die kümmert sich nun Cornelia Bürger, ihres Zeichens Anwältin, alleinerziehende Mutter und vor allem eine von ihnen. Mit ihrer roten Ente flitzt sie wie die Feuerwehr über die grünen Alleen rund um Wildow und ist immer zur Stelle, wenn's brennt.

Nach dem Pfälzer „König von Bärenbach“ und der bayrischen „Hausmeisterin“ kommen auf dem Seriensendeplatz der ARD am Montagabend nun auch ostdeutsche kleine Leute zu Wort und ins Bild. Ein Vierteljahr lang kämpft der weibliche „Liebling Wildow“ gegen wendebedingtes und neues Unrecht und läßt dabei tief in sein Privatleben blicken. Cornelia Bürger (Anke Sevenich) ist ein zierliches, aber zähes Persönchen mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Kaum hat sie ihre Berufung zur Richterin am Landgericht Berlin erhalten, schlägt das Schicksal zu: Ihr Vater, ebenfalls Anwalt, liegt im Sterben.

Nach kurzem Zögern läßt die junge Frau Karriere Karriere sein und geht dahin zurück, wo sie einst herkam – in die Provinz. Wer könnte auch dem herben Charme der Wildower widerstehen? Trickreich appelliert der örtliche Bäcker an süße Kindheitserinnerungen, als Klein Conny nach seiner Mokkatorte schielte: „Du und deine Kulleroogen, wir sind alte Bekannte.“ Nun macht ihm der HO- Fritze das Leben schwer, da darf die Anwältin nicht die Augen verschließen, das ist sie der Mokkatorte schuldig.

Herz ist Trumpf in dieser Serie, die keine Klischees bedienen will, auch wenn uns einige Personen verdächtig bekannt vorkommen. Sohn Kay (Sebastian Reznicek) erinnert sehr an Klausi Beimer. Die Anwaltsgehilfin Annegret Nelken (Helga Piur) ist der klassische „gute Geist“. Unaufhörlich schuftet, schlichtet und verbreitet sie menschliche Wärme, ohne zu klagen. Die Ossis jammern hier nämlich nicht, sie wehren sich.

Um die Mauern beiderseitiger hartnäckiger Vorurteile zu untergraben, hat Regisseur Heiner Carow die Ost-West-Geschichte mit vertauschten Rollen besetzt. Die westdeutsche Schauspielerin Anke Sevenich spielt die ostdeutsche Anwältin, und der Ostberliner Peter Zimmermann mimt den Westberliner Peter Markgraf – ein trefflicher Name übrigens, stellt der Mann doch den Direktor der Wildower Bankfiliale dar. Wenngleich Namen und Typen eben doch nicht ohne serienübliche Klischees auskommen, glänzt Drehbuchautorin Scarlett Klein mit überzeugenden „authentischen“ Rechtsfällen, für deren Ausarbeitung sie sorgfältig recherchiert hat.

Die alltäglichen Dramen, die nicht kitschig schicksalhaft überhöht, sondern menschlich tragikomisch dargeboten werden, machen den Reiz der neuen Anwaltsserie aus. Für eher unfreiwillige Komik sorgen dagegen die heftigen Sympathiebekundungen für den Osten. Als wäre die ARD von plötzlicher Liebe befallen, erklingt die Lobeshymne manchmal überlaut: Krrracks macht es, wenn der Bäcker in die unvergleichlich knusprige Ostschrippe beißt. Anne Winter