Der Freischwimmer

■ Bei Pro7 verkauft nicht nur Kirchs Sohn, sondern auch sein mutmaßlicher Strohmann - dafür gibt's eine Frequenz in Berlin

Deutschlands profitabelster Privatsender heißt Pro 7. Im Windschatten der beiden Großen RTL und Sat.1, denen in der letzten Zeit wenig anderes einfiel, als sich gegenseitig die Stars wegzukaufen, hat der Münchner Sender, der als reiner Abspielkanal für Leo Kirchs Filme begann, eine ziemlich geräumige Marktnische gefunden: 78 Prozent seiner Zuschauer sind unter 50 – das garantiert gute Werbeeinnahmen. RTL-Chef Helmut Thoma dagegen tönt zwar, die alten Zuschauer interessierten ihn nicht, dennoch liegt sein Seniorenanteil doppelt so hoch. Neun bis zehn Prozent Marktanteil und ein junges Publikum bescherten Pro 7 im vergangenen Jahr geschätzte 140 Millionen Mark Gewinn.

Eigentlich hat Pro 7 nur ein Problem: Seine Hauptgesellschafter heißen Thomas Kirch – der Sohn von Leo Kirch – und Gerhard Ackermans, ein Kaufmann mit einem Zwei-Zimmer-Büro über einer Dorfkneipe, der im Verdacht steht, Kirchs Strohmann zu sein.

Lizenz in Gefahr

Zehn der fünfzehn Landesmedienanstalten haben deshalb die Pro 7- Lizenz beanstandet. Zu allem Unglück für die Eigentümer des Dukatenesels (wie auch immer sie wirklich heißen) läuft diese Lizenz im Herbst nächsten Jahres aus, und eine Verlängerung stünde in den Sternen – wenn nicht Pro 7-Geschäftsführer Georg Kofler (der einst drei Prozent Anteile abbekommen hat) am vergangenen Freitag den Gordischen Knoten durchschnitten hätte.

Als Ort für die feierliche Zeremonie suchte er sich ausgerechnet die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), die bislang die Fronde seiner Kritiker angeführt hatte. Dessen siebenköpfigem Medienrat legte Kofler seine Pläne vor, und sie gehen ein gutes Stück über das hinaus, was durch eine taz-Veröffentlichung bereits im Juli bekanntgeworden war: daß Pro 7 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll. Jetzt sicherte Kofler den Berlinern, bei denen er eine terrestrische Frequenz beantragt hatte, zu, 40 bis 50 Prozent der Gesellschaftsanteile würden an „institutionelle Anleger aus der Wirtschaft“ (also z.B. Versicherungen) verkauft, weitere 30 Prozent sollen über die Banken „breit gestreut“ werden.

Das würde nicht nur den Anteil von Thomas Kirch auf unter 25 Prozent reduzieren, sondern auch den Strohmann-verdächtigen Ackermans ausschalten. Eine deutliche Aktienmehrheit läge dann in Händen von Anlegern, die sich, weil nur an Rendite interessiert, kaum vor Leo Kirchs strategischen Karren spannen lassen würden.

Bisher hatten Skeptiker (wie auch die taz) vor allem auf das Beispiel des Springer-Verlags verwiesen, wo trotz Aktiengesellschaft wenig Transparenz herrscht und wo sich Kirch gegen Axel Cäsars Willen heimlich zum mächtigen Großaktionär hochkaufen konnte. Doch als der Pro 7-Chef dann noch versprach, etwaige Bildungen von Aktienpaketen brav anzuzeigen und extra genehmigen zu lassen, rang sich der Medienrat unter Vorsitz von Ernst Benda, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, zu einem sensationellen Schritt durch: Pro 7 bekommt eine starke terrestrische Frequenz – unter dem Vorbehalt, daß die Ankündigungen wahrgemacht werden und daß die Direktorenkonferenz der Medienanstalten zustimmt.

MABB-Direktor Hans Hege hält damit den Fall Pro 7 konzentrationsrechtlich für gelöst. Auch wenn für die Vergangenheit nicht geklärt sei, woher das Geld des Senders stamme, könne Leo Kirch in Zukunft jedenfalls den Sender nicht nach seinen Interessen dirigieren: „Kofler hat sich freigeschwommen.“ Schlechte Erfahrungen mit der Geschäftspolitik des Filmhändlers Kirch hatten vor allem seine Mitgesellschafter bei Sat.1, über 100 mittelständische Zeitungsverleger, gemacht. Sie beschweren sich, daß Kirch mit hohen Ausgaben für Showstars den Sender rote Zahlen schreiben läßt, selber aber kräftig daran verdient, daß dort seine Filme gezeigt werden. MABB-Direktor Hege meint nun, die Banken hätten bei Pro 7 bessere Möglichkeiten, für eine transparente Geschäftspolitik zu sorgen, als die Medienanstalten. Denn ein schlechter Ruf oder Verluste würden sich schnell in einem sinkenden Börsenkurs niederschlagen.

Einige Medienanstalten haben sich in den letzten Jahren bemüht, Licht in die Verflechtung der Unternehmen im Umkreis von Leo Kirch zu bringen. Ihnen – und sich – hält Hans Hege im Fall Pro 7 zugute: „Wir haben viel mehr erreicht als die Politik.“ Ein Seitenhieb auf die Ministerpräsidenten, die untereinander ein Tauziehen um den Rundfunkstaatsvertrag und seine künftigen konzentrationsrechtlichen Regeln veranstalten. Die Berlin-Brandenburger Medienwächter köderte Pro 7- Chef Kofler nicht zuletzt mit einer Hochglanzbroschüre über seine für 1996/97 geplanten Investitionen in Berlin: von der Filmproduktion (51 Millionen) über die Synchronisation (35 Millionen) und das Magazin „liebe sünde“ bis zur Nachrichtenproduktion. In Berlin- Mitte hat man außerdem schon ein Gelände für einen Studioneubau ausfindig gemacht.

Homeshopping-Streit

Probleme macht einigen Medienwächtern allerdings das jüngste Kind von Pro 7 und dem Quelle- Versand: Mitte Oktober soll der Homeshopping-Sender H.O.T. starten. Um das für neue Sender vorgesehene Verfahren zwischen den 15 Medienanstalten zu umgehen, hat er H.O.T. kurzerhand in sein digitales Pilotprojekt (DVB) aufgenommen und argumentiert, das gehe nur Bayern etwas an. Doch als sich gestern in Frankfurt die Chefs der Medienanstalten trafen, waren manche damit nicht zufrieden. Wird doch H.O.T. über den Astra-Satelliten überall zu empfangen sein. Und vor allem wollten sie wissen, wie denn der Sender eigentlich im Oktober digital senden will: Die nötigen Decoder werden schließlich erst im Frühjahr auf den Markt kommen. Michael Rediske