Krise statt Durchbruch

■ Anglo-irischer Gipfel wegen Meinungsverschiedenheiten abgesagt

Dublin (taz) – Die irische Regierung hat am Dienstag abend den für gestern geplanten anglo-irischen Gipfel abgesagt, auf dem die Weichen für Allparteiengespräche gestellt werden sollten. Der irische Premier John Bruton begründete die Entscheidung damit, daß man mehr Zeit benötige, um „bestehende Schwierigkeiten zu überwinden“.

In London hat die Absage deutliche Verärgerung hervorgerufen. „Die Iren haben gekuscht, nachdem ihnen Sinn Féin die Pistole auf die Brust gesetzt hat“, sagte ein Regierungsbeamter. Streitpunkt sind nach wie vor die IRA-Waffen. Premierminister John Major will Sinn Féin erst dann zu Allparteiengesprächen zulassen, wenn die IRA zumindest symbolisch einige Waffen übergeben hat.

Sinn Féin hat diese Vorbedingung bisher nicht akzeptiert und ließ sich auch bei Gesprächen mit Mayhew am Montag und Bruton am Dienstag nicht umstimmen. Der Kompromißvorschlag der irischen Regierung sah vor, die beiden strittigen Punkte zu trennen. Eine internationale Kommission, auf die man sich im Prinzip bereits vor zwei Monaten geeinigt hatte, sollte sich von „den ehrlichen Absichten Sinn Féins“ überzeugen und als eine Art Bürge für die fortdauernde Waffenruhe fungieren, während die beiden Regierungen in trilateralen Gesprächen mit den einzelnen nordirischen Parteien den Runden Tisch vorbereiten sollten. Major lehnte diese zweigleisige Strategie jedoch ab.

Die anglo-irische Krise – und um nichts anderes handelt es sich – hat in den USA Bestürzung ausgelöst. Präsident Bill Clinton hatte gehofft, daß die Allparteiengespräche bereits in Gang sind, wenn er am 30. November Nordirland besucht. Die Chancen dafür sind nun denkbar schlecht. Ralf Sotscheck