Nach dem Knall: Botschafter und Farbeier fliegen

■ Scharfe Proteste gegen Chiracs Atombombentest in aller Welt. Briten reserviert

Berlin (taz) – Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück. Frankreichs Regierung hatte ihre Bombe kaum gezündet, da suchte ein Schwall diplomatischer Empörung und spontaner Demonstrationen die Grande Nation heim. Jim Soorley, Brisbanes Bürgermeister, schimpfte den französischen Präsidenten einen „Idioten, gegen den man sich wehren“ müsse, und der Bürgermeister von Hiroshima, Takashi Hiraoka, nannte die Entscheidung, die Atombombe zu zünden, „einen unverzeihlichen, rücksichtslosen Akt des vorherigen Jahrhunderts“. Die Inselregierungen von Nauru und Kiribati im Pazifik froren ihre diplomatischen Beziehungen zu Frankreich ein.

Weniger grob, aber immer noch deutlich die Reaktionen bei anderen Regierungen: Australiens Ministerpräsident Paul Keating sagte, sein Land werde „nach diesem Akt der Dummheit an den schärfsten Sanktionen, die wir je gegen eine andere Demokratie verhängt haben, festhalten. Wir wollen nicht weniger Tests, wir wollen keine.“ Der australische Gewerkschaftsdachverband rief zum Boykott französischer Produkte auf.

Japans Regierung drückte „außerordentliches Bedauern“ und Unverständnis aus. Neuseeland und Chile riefen ihren Botschafter aus Paris zurück. Neuseelands Regierungschef Jim Bolger bestellte den französischen Botschafter sogar persönlich in den Regierungssitz, um gegen den Test zu protestieren. Chiles Präsident Eduardo Frei sprach von „negativen Auswirkungen für die ganze Welt“. Scharfe Proteste brachten die Regierungen Perus und Ecuadors und der Philippinen vor.

Vor der französischen Botschaft in Wellington und Den Haag kam es zu Handgemengen zwischen Greenpeace-Aktivisten und der Polizei. In der Nacht hatten andere Demonstranten den Test mit Farbeiern beantwortet. In Seoul besetzten Demonstranten das französische Kulturzentrum, Blockaden vor französischen Einrichtungen gab es auch in Santiago de Chile, Bern, Wien, Helsinki und vielen anderen Städten. Greenpeace demonstrierte vor den Vertretungen Frankreichs in 21 Ländern.

Auch die US-Regierung bedauerte den Test und forderte Chirac auf, keine weiteren Tests mehr vorzunehmen. Rußland sprach von einem Schlag gegen die atomare Abrüstung und einer Verschärfung der internationalen Spannungen. Das russische Außenministerium forderte Frankreich und China auf, alle weiteren Tests unverzüglich einzustellen.

In Europa zeigte sich Schwedens Regierungschef Ingvar Carlsson „tief enttäuscht“ über die Ignoranz Chiracs angesichts der internationalen Proteste. In Brüssel bedauerte der Präsident der EU- Kommission, Jacques Santer, den Testbeginn und räumte ein, daß die französische Regierung vor dem Test nicht einmal die Informationen übermittelt habe, zu denen sie vertraglich verpflichtet sei. Österreichs Kanzler Franz Vranitzky sagte, die Atomexplosion habe der internationalen Abrüstung keinen Dienst erwiesen.

Nur in London gab es nicht einmal Worte des Bedauerns. Die Briten, die selbst vor allem durch das Atomtestmoratorium Präsident Clintons am Weitertesten gehindert sind, nannten den Test im Südpazifik eine innere Angelegenheit Frankreichs, die sie nicht zu kommentieren hätten. ten