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Taschen sollen gläsern und gefüllt werden

■ Parlamentarierinitiative fordert Offenlegung der eigenen Einkünfte und will damit der Kritik an der geplanten Diätenerhöhung den Wind aus den Segeln nehmen

Bonn (taz) – Ist es vorstellbar, daß Wählerinnen und Wähler in Deutschland eines Tages in der Zeitung und in jeder Bibliothek nachlesen können, wieviel einzelne Bundestagsabgeordnete verdienen und welche Nebeneinkünfte sie beziehen? Die beiden SPD-Abgeordneten Peter Conradi und Norbert Gansel zumindest halten eine Selbstverpflichtung zur Offenlegung der eigenen Finanzen für notwendig. Daß Transparenz zumutbar und praktizierbar ist, zeigen für Gansel die Beispiele Spaniens, Schwedens und Japans, wo in den Parlamenten heute schon ähnliche Regelungen gelten.

Auch ohne gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung hatten die beiden SPD-Politiker in den vergangenen 20 Jahren regelmäßig über ihre Finanzlage Auskunft gegeben. Die fraktionsübergreifende Iniative, die sie gestern vorstellten, verpflichtet alle Parlamentarier, künftig jährlich Art und Höhe ihrer Einkünfte zu veröffentlichen.

Wählerinnen und Wähler hätten einen Anspruch darauf, zu erfahren, ob die Gewählten ihre ganze Arbeitskraft ihrer Aufgabe widmeten und ob sie Einkünfte bezögen, die ihre Unabhängigkeit gefährdeten, argumentiert Gansel. Den eigenen Vorschlag hält er für einen „bescheidenen und pragmatischen Versuch“, mehr Transparenz zu gewährleisten.

Die Initiative versteht sich als Ergänzung zu der von beiden großen Parteien beschlossenen grundlegenden Reform der Diäten. Die mit der Verkleinerung des Bundestags verknüpfte Diätenreform soll den Abgeordneten eine bessere Bezahlung sichern, über die aber das Parlament nicht mehr selbst entscheiden muß. Der Bund der Steuerzahler und der Verwaltungswissenschaftler Hans Herbert von Arnim attackierten das Vorhaben diese Woche mit massiven Vorwürfen. Arnim: „Hier versucht die politische Klasse, sich aller Kontrollen zu entledigen.“

Vor allem die Absicht, Diäten künftig an die Richterbesoldung zu koppeln, empört die Kritiker. Weil dazu eine Grundgesetzänderung notwendig ist, wirft Arnim den großen Parteien vor, sie änderten zum ersten Mal in der Geschichte die Verfassung zu ihrem eigenen Vorteil. Die kleinen Parteien im Bundestag stimmten gegen die Reform.

Die Anpassung an die Besoldung der Bundesrichter würde Abgeordneten im Jahr 2.000 etwa 16.500 Mark garantieren. Derzeit erhalten sie Diäten in Höhe von 10.000, die Bundesrichter rund 14.000 Mark. Bislang mußte das Präsidium den Abgeordneten jährlich vorschlagen, in welcher Höhe die Diäten aufgestockt werden sollten. Seit 1992 aber hatten die Abgeordneten auf Mehreinnahmen verzichtet.

Wie das Bundestagspräsidium wiesen auch Conradi und Gansel die Kritik Arnims zurück. Ihrer eigenen Initiative haben sich bislang 90 Parlamentarier angeschlossen. Auch für den Fall, daß sich dafür keine Mehrheit findet, so glaubt Gansel, lohnt sich der Vorstoß: „Das Thema Transparenz wird auf der Tagesordnung bleiben.“ Hans Monath

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