„Ich würde ja gerne zu Hause bleiben“

■ Debatte um Rollenerwartungen junger Väter

„Meine Frau hat mich zu den Vorträgen angemeldet. Ich habe spontan zugesagt“. Dieter S. möchte herausfinden, ob es in anderen Familien mit Kindern die gleichen Probleme gibt wie in seiner. „Vater-sein heute“ heißt eine Veranstaltung, die von der „Freien pädagogisch-therapeutischen Beratungsstelle Bremen“ an zwei Abenden angeboten wird. Am Freitag waren elf Familienväter gekommen, um sich über ihre heutige Rolle als Männer in der Erziehung Gedanken zu machen.

Hin- und hergerissen zwischen gesellschaftlichen Erwartung und den Realitäten des Arbeitsmarktes fühlt sich Dieter S. seiner Rolle kaum gewachsen. „Die Gesellschaft wird zum Schiedsrichter meiner Beziehung“, sagt er und versucht sich zu rechtfertigen, daß er nicht der fürsorgliche Familienvater sein kann. Dem Druck, dem er als selbständiger Unternehmer und gleichzeitig als Familienvater ausgesetzt ist, kann er kaum gerecht werden. Seine Frau macht ihm den Vorwurf, mit der Erziehung alleingelassen zu werden. „Ich würde gerne zu Hause bleiben, aber wo käme dann das Geld her“, meint er. Obwohl so viel von Chancengleichheit gesprochen werde, habe seine Frau ja nicht die Möglichkeit, eine gutbezahlte Stelle zu bekommen. Vom ihm werde aber erwartet, daß er die Kinder mitversorgt. Dieser doppelten Belastung sehen sich die meisten anwesenden Väter ausgesetzt.

Die Psychologen Rudolf Dreikurs und Erik Blumenthal beleuchten in ihrem Buch „Eltern und Kinder – Freunde oder Feinde?“ auch die Erwartungen der Mutter an den Vater, der ja für die Kinder eine starke Persönlichkeit darstellen soll. „Die Frauen verlangen, daß der Vater eine Autorität ist – aber nur für die Kinder“. So empfindet Dieter S. auch seine eigene Situation.

In Bremen erstritt sich 1981 erstmals ein Schlosser einen bezahlten Hausarbeitstag vor dem Landesarbeitsgericht, was damals Schlagzeilen machte. Fünfzehn Jahre danach scheinen diese ersten rechtlichen Voraussetzungen nicht sonderlich gefruchtet zu haben. „Es ist für mich immer wieder eine Besonderheit, einen Mann zu sehen, der einen Kinderwagen vor sich herschiebt,“ so die Erzieherin Cordula Hampe. An den Elternabenden nehmen zwar Väter oft teil, „doch manchmal hat man das Gefühl, daß sie ihr schlechtes Gewissen in Diskussionen über Erziehung wegreden wollen.“

„Wir geben die Erziehung in fremden Hände“, meint denn auch Norbert D., Vater von zwei Kindern, selbstkritisch. „Als mein mittlerweile 16jähriger Sohn in den Kindergarten und später in die Schule kam, habe ich ihn fast aus den Augen verloren“, bedauert er. Seine Vaterfunktion sei erst wieder gefragt gewesen, als es um die sexuelle Aufklärung des Sohnes ging.

Norbert D. fühlt sich oft nur als Beobachter und weniger als Gestalter in der Erziehung seines Sohnes. Sein Trost: „Wenn ich ihn mir heute anschaue, dann denke ich: Es ist aus ihm zwar nicht das geworden, was ich wollte, aber immerhin ist etwas aus ihm geworden.“ llg

Nächster Vortragsabend ist am 22.9., Anmeldung Tel.: 343415