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Der Deutschen Einheitssprache

■ Denis Masi rüttelt an der Mauer in unseren Köpfen/ z.Zt. im Künstlerhaus am Deich

Daß nun „zusammenwächst, was zusammengehört“, wissen wir alle. Und wer mit „Architekt der Einheit“ gemeint ist, ist sowieso klar. „Haus Europa“, „Aufbau Ost“: Die Slogans der aktuellen Politik schleichen sich unauffällig, aber wirkungsvoll in unsere Alltagssprache. Und je öfter sie gesprochen und gedruckt werden, desto wahrer werden sie auch. Um sie als Worthülsen zu enttarnen, bedarf es manchmal des Blicks von außen. Der Spezialist für solche harten Fälle ist der in London lebende Künstler Denis Masi. In seinen „Window Works“ nimmt er die Politfloskeln auseinander, mit denen dem Volk die deutsche Einheit verkauft wird. Masis cleveres Wortkunststück entstand auf Einladung des Bremer „Künstlerhauses am Deich“.

Masi versteht sich vor allem als Bildhauer. Seine Objekte versuchen oftmals das Unmögliche: geschlossene Systeme darzustellen und gleichzeitig ihre Knackpunkte aufzuzeigen. Hermetische Kisten und Wände gehören zum Repertoire seiner Rauminstallationen; vor ihnen soll für den Betrachter spürbar werden, was strukturelle Gewalt bedeutet. Das ist ein nicht eben geringer Anspruch. Aber ein Künstler, der öffentlich künstliche Wälle („Wall Works“) errichtet, für den ist „die Mauer in unseren Köpfen“, wie man hierzulande so schön orakelt, auch kein besonderes Hindernis.

Erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit Masi tatsächlich die deutschen Wortwälle auseinandernimmt. Sein Kunstgriff ist einfach: Er übersetzte die Poltitslogans – ausgelesen aus Zeitungs- und Buchartikeln – einfach ins Englische; anschließend ließ er sie in Fensterglas gravieren. Nun leuchten die Worte extra feierlich in den Fenstern des Künstlerhauses. Im Englischen wirken sie nochmal so griffig: „Red Pack“, „Historical Engineering“, „Aggressive Seperation“. So griffig, daß sie wirklich nur noch Schlagworte sind – die ebenso gut für die Werbung taugten.

Bestimmte Begriffspaare, sagt Masi, seien speziell auf Ost- oder Westdeutschland bezogen. Da kennen wir uns natürlich aus. Und kommen in der Ausstellung schnell an den Punkt, an dem die sicheren Gewißheiten ins Wanken geraten. Ost oder West, gefundene oder erfundene Begriffe – das läßt sich in Masis „Window Works“ kaum mehr trennen. „It's all mixed up“, sagt er über seine Wortakrobatik. Aber zufällig ist hier nichts, sondern sorgsam konstruiert. Die Qualität von Masis Arbeit liegt vor allem in diesem genauen Austarieren von unterschiedlichen Bedeutungen, die wir – je nach Standpunkt und Vorurteil – in die Worte hineinlesen können. Das ist, wie gesagt, sehr clever und auch sehr kopflastig. Aber ungemein anregend. Thomas Wolff

Bis 30.9., Am Deich 68/69

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