„Bohley bekannt für Eskapaden“

■ Scharfe Kritik am Treff von Bürgerrechtlern mit dem Kanzler. Frühere Weggefährten gehen auf sichere Distanz

Berlin (dpa/taz) – Das Kaffeekränzchen vom Prenzlauer Berg hat Folgen: In einer gestern in Berlin veröffentlichten Erklärung kritisieren rund 60 Oppositionelle aus der ehemaligen DDR scharf das Treffen von Bärbel Bohley und anderen Exdissidenten mit Bundeskanzler Helmut Kohl Ende vergangenen Monats. „Wir, eine Reihe von Leuten, die auch das Regime in der DDR bekämpft haben, jedoch in der neuen Gesellschaft keine wirkliche Alternative zur DDR sehen können, fühlen uns wiederum auf freche Weise vereinnahmt“, heißt es in der Erklärung. Zahlreiche Gesetze und Regelungen im vereinten Deutschland haben nach Ansicht der Gruppe eine „neue Entrechtung von Bürgern“ und einen „neuen Überwachungsstaat“ geschaffen.

Die Unterzeichner betonen, daß „die Verschleuderung des DDR-Volksvermögens an Alt- und Neureiche“, neue Polizeigesetze, die „Auslieferung von Asylbewerbern an ihre Todfeinde“ sowie eine Unterstützung von Diktaturen im Ausland von der Regierung Kohl beabsichtigt seien. Und weiter: „Wir distanzieren uns von Leuten, die diesem Kanzler im Tausch gegen ein paar vage Versprechungen die Legitimation der DDR-Bürgerbewegung verschaffen wollen“. Die Gruppe kritisiert, daß durch die Gesprächspartner des Treffens und die Berichterstattung der Eindruck entstanden ist, als ob Bohley und die anderen Vertreter für die gesamte frühere Bürgerbewegung der DDR sprechen würden. „Bärbel Bohley ist mittlerweile für solche Eskapaden bekannt.“

Bei den Unterzeichnern handelt es sich um DDR-Oppositionelle, die meist schon lange vor der Maueröffnung in Kirchen-, Öko- und Basisgruppen die DDR-Politik kritisiert hatten und für massive Reformen eingetreten waren. Dazu zählen die frühere Bundestagsabgeordnete Ingrid Köppe, die Mitarbeiter des Neuen Forums in Berlin, Bernd Gehrke und Reinhard Schult, die Mitarbeiter des „Sklaven“, Klaus Wolfram und Wolfram Kempe, sowie Wolfgang Rüddenklau von der Umweltbibliothek in Berlin. wg