Nachschlag

■ Vito Acconcis Video „The Red Tapes“ in den Kunst-Werken

Still aus „The Red Tapes“, 1976 Foto: Katalog

Das Haus, in dem Vito Acconci aus und ein geht, hat mehr Winkel als ein Hirn. Meere, Wüsten und böhmische Landschaften findet man auf Tapeten gemalt, später spielen sich dort kleinere Dramen zwischen Menschen ab, und zuletzt singt Acconci auf einer Art Fernsehbühne, während das Publikum vorbeischwadroniert und die Kamera verstellt. Das alles muß man mit dem 200. Geburtstag der USA zusammendenken, aus dessen Anlaß „The Red Tapes“ entstand. Und mit Fragen nach Körper, Identität, sexueller Befreiung, Problemen der Zwei- wie Dreidimensionalität, der Ortlosigkeit der Kunst und den Zitaten ihrer Geschichte. Entsprechend dauert das opernhaft komponierte Video bald zweieinhalb Stunden und ist in seiner grau in grau verlaufenden Wackelkamera-Ästhetik nicht eben kurzweilig.

Acconci liebt das dokumentarische Erzählen. Er schnappt Zivilisationskritik oder Stadtplanung auf und vermengt diese Brocken mit biografischem Material. Die Geschichte der USA wird zum Leitfaden der Erinnerung: Mit dem Finger fährt Acconci Straßenkarten ab, brummelt Satzfetzen der Unabhängigkeitserklärung und klagt darüber, nicht hineinzukommen in die Vergangenheit. Dann ordnet er Plastiksaurier auf dem Schreibtisch und tauscht das Ur- gegen Nutzvieh und Menschen aus, während er aus dem Off Texte des Land-art-Künstlers Robert Smithson parodiert. Denn Natur ist bei Acconci immer Projektion.

Auch in der Moderne bleibt nichts an seinem Ort. Mitunter interessiert ihn an der Architektur weder der formale Bezug von Stahl, Stein und Glas noch der urbane Zugriff – statt dessen wandelt Acconci durch ein filmstudioartiges Labyrinth, in das er eine Fabrik am Hudson River umgewandelt hat; oder er läßt die Kamera für Minuten auf einem Detail verharren, bis sich die Gebäudekonstruktion kaleidoskopisch auflöst. Schließlich kippt das Verhältnis von außen nach innen. Der in der Bronx geborene Performance-Künstler springt über Leitern und Treppen in einem chaotisch mit Zwischenwänden verbauten Raum umher und stellt im Befehlston Fragen, die er schüchtern selbst aus der anderen Ecke des Raumes heraus beantwortet. Die Frage hat er in diesem Moment längst schon vergessen. Harald Fricke

Bis 17. 9., täglich 14-18 Uhr, Auguststraße 69, Mitte