„Bayern sind so hoch von Wuchs“

■ Münchens Wunderteam verliert zu Hause gegen Lokomotive Moskau, und unser aller Jubilar ist trotzdem milde gestimmt

München (taz) – Quer über die Ehrenloge stürmten Reporter, mit Mikrofonen, Blöcken und Kameras bewehrt, um den grimmig dreinblickenden Präsidenten zu erpirschen. Für einen Moment dachte der an Flucht, doch angesichts der herbeistürzenden Medienschaffenden entschied sich Franz Beckenbauer, Vorsteher des FC Bayern München, sich zu stellen. „Mach sie zur Sau, gib ihnen Saures“, mag er in den gierigen Blicken der Jäger erkannt haben, und vielleicht war das der Grund, warum der Jubilar mit gütiger Miene genau das Gegenteil tat und sich für die verbale Mauertaktik entschied: „Ich wäre mit einem 0:0 zufrieden gewesen.“ Nanu! „Nach 15 Minuten hat man doch schon gesehen, da geht nix.“

Aber irgendwie war dies nur der passende Abschluß eines sonderbaren Fußballabends im Münchner Olympiastadion. Begonnen hatte der mit Menschen, die, restlos gaga, als Handys verkleidet über die Tartanbahn stolperten. Es folgte ein wirres UEFA-Cup-Hinspiel, welches der FC Bayern überraschend 0:1 verlor gegen Lokomotive Moskau. Und endete mit dem milden Franz Beckenbauer sowie einem perplexen Moskauer Trainer Juri Semin, der gar nicht glauben mochte, wie das alles kommen konnte: „Wir hatten doch ehrlich Angst vor dieser bayerischen Mannschaft, diese Bayern sind doch alle so hoch von Wuchs.“

Allein an der sportiven Größe ermangelte es dem teutonischen Fußballprimus. Geistlos schob sich das prominente Ensemble den Ball hin und her, unfähig zu fußballerischer Inspiration. Zur Festplatte schien das Spielfeld geraten, jeder Akteur stand wie angeschraubt in seinem ihm zugewiesenen Raum. Kein Ausbruch von fußballerischer Leidenschaft, statt dessen Dienst nach Vorschrift und Staunen über Gegners Entschlossenheit. Trainer Otto Rehhagel: „Meine Jungs haben ganz verwundert geguckt, wie die zur Sache gingen.“

Ach, arme Bayern! Nichts haben sie verstanden an diesem betrüblichen Abend. Jürgen Klinsmann jammerte, der Gegner habe „sich eingemauert und 1-9-1 gespielt“. Torwächter Kahn beklagte gar, „die standen mit elf Mann auf einer Linie“, derweil Rehhagel befand, „die haben mit einer 10-0-Deckung gespielt“.

Verflixte Gegner! Machen dem FC Bayern das Dasein so schwer. „3:0 hätten wir gewinnen können“, meinte Moskaus Coach Semin und hatte recht, weil Moskaus Konter weit gefährlicher waren als das offensive Gekrampfe der Münchner. Und so beendete deren Manager Uli Hoeneß die verbalen Befreiungsschläge: „Es hat keinen Sinn, herumzuphilosophieren.“ „Wir haben das schön vergeigt“ (Scholl), „weil wir verdammt schlecht gespielt haben“ (Andreas Herzog). So einfach ist das bisweilen. Gerhard Pfeil

Lokomotive Moskau: Owtschinnikow - Tschugainow - Arifullin, Drosdow - Kosolapow, Gourenko, Solomatin, Oganesai, Charlatschew - Garin (81. Maminow), Jelischew

Schiedsrichter: Goethals (Belgien)

Zuschauer: 16.000

Tor: 0:1 Charlatschew (71.)

FC Bayern München: Kahn - Strunz (16. Nerlinger) - Babbel, Helmer - Hamann, Scholl, Sforza, Herzog (72. Witeczek), Ziege - Klinsmann, Zickler (46. Sutter)