Kein Klassenausflug

Weil doch nichts ging, unterlag der SC Freiburg gegen „Redner und Literaten“ von Slavia Prag  ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs

Nur in der Wertung der Torhüter-Patzer stand es am Ende unentschieden. Zuerst hatte Freiburgs Jörg Schmadtke eine Ecke unterlaufen und Novotny per Kopf das 0:1 für Slavia Prag erzielt, später glitschte im Freiburger Regen dann dem tschechischen Torhüter Stejskal ein haltbarer, aber halt recht nasser Kopfball von Jens Todt durch die Hände. Weil die derzeit hart geprüften Himmelsstürmer aus dem Badischen da aber durch einen Kopfball von Penicka schon 0:2 zurücklagen, standen die Freiburger Finke-Zöglinge nach ihrem ersten Ausflug in europäische Fußballgefilde ohne vorzeigbares Mitbringsel da.

Immerhin: Das Nervenkostüm von Freiburgs Präsident Achim Stocker, einem der bekanntesten Videotext-Nutzer der Republik, hatte sich nach veritabler Schonfrist als pflichtspieltauglich erwiesen. Erstmals nach Jahren der Enthaltsamkeit hatte Stocker seinem sensiblen Fußballgemüt einen Auftritt des Sport-Club im Stadion zugemutet und konnte anschließend – obwohl von seinem kickenden Personal auf eine harte Probe gestellt – Entwarnung melden: „So schlimm war es gar nicht.“ Eine Einschätzung, die – nach einer durchaus den boulevardesken Ansprüchen eines „Herzinfarkt- Spiels“ genügenden Partie – beileibe nicht alle im Stadion teilen mochten.

Tatsächlich erinnerte die Vorstellung von Finkes vielgerühmten Filigrankickern über weite Strecken an ihr erstes Bundesligajahr. Als ginge es darum, die bislang wenig erquicklichen ersten Bundesligawochen im Sauseschritt hinter sich zu lassen, starteten die UEFA- Cup-Frischlinge im Eiltempo in den europäischen Wettbewerb. Und da auch der Grunddevise des Sport-Club-Übungsleiters („Zwischendurch immer mal wieder was Schlaues machen“) mit Heidenreich-Hackentrick und Spies- Übersteigern Genüge getan wurde, kam die Slavia-Abwehr mächtig ins Schwimmen.

Allein – auch das an der Dreisam kein unbekanntes Phänomen – der Ertrag der hingebungsvollen Bemühungen wollte sich nicht einstellen. Im Gegenteil: Slavia Prag, 1892 als „Redner- und Literaten- Verein“ gegründet, führte den um die Spielkultur bemühten Freiburgern vor, wie profan der Fußballsport auch funktionieren kann: Zwei Chancen, zwei Treffer – da nutzte es wenig, daß verkrampfte Reporterhände auf ihren Blöcken anschließend 16 Freiburger Ecken und zwölf Tormöglichkeiten auszählten.

Eine weitere Erkenntnis: Auch nach zwei Jahren Erstligazugehörigkeit zählen die tieferen Zusammenhänge des Sport-Club-Fußballspiels noch nicht zum Allgemeinwissen der reportierenden Fußballwelt. „So spielt doch keine Mannschaft in der Krise“, wunderte sich ZDF-Mann Rolf Töpperwien nach dem durchaus sehenswerten Auftritt der Südbadener bei ihrer vermasselten UEFA- Cup-Premiere gegen Slavia Prag. Kapitän Spies, ein in der Ästhetik Freiburger Scheiterns leidvoll erfahrener Mann, korrigierte prompt: „Doch, genau so – wir haben das ganze Spiel gemacht, und durch zwei Standardsituationen verloren.“

Trainer Finke, der nach dem flotten Auftakt seiner Elf „das Gefühl“ aller Beobachter teilte („Hier kann was gehen“), mochte denn hernach auch nicht hart mit seinen Schützlingen ins Gericht gehen. Wenngleich er auch nicht verhehlen konnte, daß es „weh tat“, die Gegentreffer nach Standardsituationen kassiert zu haben – denn gerade die hatte er mit seinen Kickern im Vorfeld besonders intensiv gebüffelt.

Wenn seine Mannschaft in 14 Tagen nach Prag reist, sieht der Pädagoge auf der Freiburger Bank das noch keineswegs als Klassenausflug, bei dem man sich aus dem europäischen Wettbewerb nach kurzem Schnupperkurs schon wieder verabschiedet. „Das Ding ist noch nicht zu Ende“, machte Finke sich und den Seinen nach dem Schlußpfiff Mut. Präsident Stocker, der die Prager wohl wieder nur vom Bildschirm aus begutachten wird, zeigte sich in der Kunst des mutmachenden Statements nachsitzbedürftig. Wenig optimistisch resümierte er: „Es wäre schön gewesen, wenn wir weitergekommen wären.“

Slavia Prag: Stejskal - Suchoparek - Penicka, Hysky - Lerch, Poborsky, Bejbl, Kristofik (31. Smejkal), Novotny - Vavra (88. Hogen), Vagner (62. Hunal)

Schiedrichter: Fisker (Dänemark)

Zuschauer: 17.500

Tore: 0:1 Novotny (23.), 0:2 Penicka (75.), 1:2 Todt (78.)

Gelb-rote-Karte: Hysky (59.) wegen wiederholten Foulspiels

SC Freiburg: Schmadtke - Vogel - Sundermann, Spanring - Kohl, Zeyer (80. Borudjuk), Heidenreich, Todt, Freund - Spies, Rath (46. Rraklli)